Osterlachen

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Ostermontag 2013
Jeremia
Predigt
Osterlachen

Haben Sie schon einmal versucht,  ihrem Kind (vor langer Zeit)  oder ihrem Enkelkind (gerade jetzt) die Auferstehung zu erklären? Oder den Heiligen Geist?
Ist bestimmt schief gegangen! Geht bestimmt schief!

Religionslehrer wissen, wovon die Rede ist.
„Den heiligen Geist dürft ihr euch nicht wie einen Menschen vorstellen, sondern wie einen Menschen ganz ohne Körper. Ihr  müsst ihn euch vorstellen wie jemand, der gar keinen Leib hat. Ist nicht ganz einfach, das ist mir klar“. Soweit der Lehrer zu seinen Schülern
Und was sagen die Schüler? „Nicht schwer: Das ist einer, der hat die Beine gleich am Hals.“


Lachen Sie nur.
Genauso hatte der Lehrer den Heiligen Geist definiert.
Hoffentlich hat er auch über sein Ungeschick gelacht.
Die Philosophen sind die Spaßmacher Gottes, hat jemand gesagt und hinzugefügt: Was wird Gott wohl gelacht haben, als er das gehört hat.
Gilt auch für Theologen.
Lachen Sie ruhig.
Heute ist Lachen erlaubt.
Auch in der Kirche. Ich würde sagen: Nur wir Christen haben Grund zum Lachen.
Denn die Auferstehung Gottes ist zum Lachen.
Oder besser gesagt: Sie ist ein Spaß Gottes.
Oder noch besser gesagt: Sie ist das Lachen Gottes.

Natürlich will ich bei allen Aussagen nicht vergessen, dass es sich stets um hilflose Definitionsversuche handelt, die von der Antwort eines Kindes wieder über den Haufen geworfen werden kann.

Die Antwort  des Kindes auf die Definition war zum Lachen. Warum? Seine  Antwort befreit  von einer unmöglichen Aufgabe. Es gibt keine bessere, als das korrekte Scheitern des Kindes. Es macht uns alle froh.
So ist der Heilige Geist nicht.

Ich erzähle Ihnen noch von einer weiteren gescheiterten  Definition, diesmal scheitert der Versuch, den Menschen zu definieren.
Ein Spaß, aber immer auf hohem Niveau, versteht sich.

Also Platon, um 350 vor Christus,  hatte es auch schon einmal mit einem Bild versucht, nicht anders als der Religionslehrer, als er auf die Frage antworten wollte: Was ist der Mensch? Ein Engel oder ein Tier?
Der Mensch ist ein federloses zweifüßiges Tier. Sagt Platon
Seine Schüler waren begeistert. Diese Definition wies dem Menschen seinen Platz unter allen Lebewesen zu, brachte ihn in die Nähe der Tiere.
Die Begeisterung hielt an, bis Diogenes davon gehört hatte und in seine Akademie kam. Diogenes lief unter dem Beinamen „Der Hund“, verstand also etwas von Tieren. Unter seinem Arm trug er einen gerupften Hahn. Den stellte er mit den Worten auf das Katheder: Schaut her: Das ist Platons Mensch. Ein federloses, zweifüßiges Tier.
Jetzt lachten andere.
Platon  musste hinzufügen: Mit abgeplatteten Nägeln. Dadurch wurde die Definition zum Gespött.
Lachen ist die beste Medizin.
Nur dass es für den, der nicht lachen kann, keine Selbstheilung gibt.
Ein romantischer Romanheld war morgens mit dem festen Vorsatz aus dem Bett gesprungen, sich an diesem Tage mächtig zu freuen. Abends lag er trauriger als zuvor wieder drin.
Lachen ist zwar die beste Medizin, aber sie muss verabreicht werden.
Lachen ohne Arzt geht nicht.
Ostern ist  das richtige Fest dafür.
Kurzer Exkurz.

Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde den Gottesdienstbesuchern von ihren Pfarrern das Zwergfell gekitzelt. Damit sie in befreites Lachen ausbrächen. Denn Ostern sei das Fest der Befreiung, der Totenauferweckung. Das Fest, an dem wir aus unseren Gräbern kommen. Das Fest des hellen Auflachens.
Mitte des 19. Jahrhunderts hat die katholische Kirche das Osterlachen untersagt. Die Witze ihrer Priester waren zu flach, zu platt zu unanständig geworden. Es lachten immer nur die Falschen.
Im Protestantismus musste man das Osterlachen nicht verbieten. Die Unsrigen lachten sowieso nicht.

Aber es wäre wieder an der Zeit. Wir schauen trüber aus als der Frühling 2013.

Nach dieser Predigt singen wir alle: Auf, auf, mein herz, mit Freuden
Und davon auch die 4. Strophe:
Die Welt ist mir ein Lachen.

Klingt ein wenig fremd. Wissen wir, was Paul Gerhardt damit will? Will er sich lustig machen?
Ist er ein Zyniker? Unser Leben – ein Gelächter, unsere Anstrengungen – lachhaft. Der Ernst der Welt – lächerlich?

Zynisch ist er nicht, ganz bestimmt nicht. Wer sein Gedicht mit „Auf, auf mein Herz mit Freuden“ beginnt, ist kein Zyniker. Der ist macht auch keine Witze. Er meint es ganz ernst, lacht aber trotzdem.
Aber er ist nicht im Reinen mit sich, steht sich gegenüber.
Er trägt etwas an sein Herz heran.
Er lacht nicht, weil er eine Frohnatur ist. Eine, die gar nicht anders als lachen kann.
Sein Herz  freut sich  nicht von sich aus. Es weiß noch gar nichts von seiner Freude. Das muss er erst einmal wecken.
Mit der ersten Strophe :Auf, auf mein Herz mit Freuden.
Es hat noch gar nicht gemerkt, wie viel Grund zur Freude es hat! Du liegst ja noch! Los, hoch mit dir, steh auf, auf, auf, mein Herz!

Der Tag ist da, an dem du über die Welt lachen kannst. Gerade über jene Welt, über die du bis gestern nur weinen konntest. Nimm es wahr, lass dich berühren, lass dich aufwecken, lass dich freudig aufschrecken. Weg mit den Tränen, auch wenn sie noch so sehr deine Tränen sind.
Lache!
Worüber, warum? Weil sich die Dinge in ihr fröhliches Gegenteil verkehrt haben: Tod ist jetzt Leben, Traurigkeit ist Fröhlichkeit. Angst ist jetzt Mut. Christus lebt, der Schwache ist mächtig, der Starke besiegt.

Paul Gerhardt nennt, von was sich sein Herz lachend befreien soll: vom Zorn der Welt, von der Trübsal, von der Nacht. Paul Gerhardt macht ernst mit der Auferstehung. Was gerade noch wie tot im Grabe lag, das steht nun auferweckt da, nicht aufgeweckt. Christus ist auferstanden, nicht aufgestanden.
Es geht nicht um das, was wir können, sondern um das, was wir nicht können: aus unserem Grab auferstehen.
Oder anders gesagt: Über was könnten wir lachen, über das wir bisher geweint haben.
Gelegenheit genug,  konkret zu werden.

Ich fange an, dann kommen Sie dran. Suchen Sie schon mal bei sich selbst. Über was könnte ich lachen, über das ich bisher nur weinen konnte.


Lachen über den Winter, der nicht abtreten will.
Lachen über die Energiewende, die mein Konto leert
Lachen über den arabischen Frühling, der nicht kommt
Lachen über das Altern, das bestimmt kommt
Lachen über die Jugend mit den verstopften Ohren, die nicht mehr erreichbar ist
Lachen über die steigenden Preise,  die aber bezahlt werden müssen
Lachen über die Rente, die hoffnungslos zurückbleibt
Lachen über den Reichtum der anderen
Lachen über meinen eigenen Reichtum

Jetzt sind sie dran!

(Rückenschmerzen, Krankheiten, Lachen über das Sterben)

Aber auch lachen über das Lachen
Lachen über die Urlaubsfreude
Lachen über meine eigene Traurigkeit
Lachen über mich selbst

Machen wir uns nichts vor. Das alles sind Dinge, über die wir gar nicht lachen können. Und auch nicht deshalb, weil wir nicht zum Lachen geboren wären, wie zum Beispiel die Chinesen

Im Fernsehen sieht man jetzt häufiger Berichte aus China. Und man fragt sich: Was haben die in ihrem Elend, bei ihrer Luftverschmutzung, bei ihrem Regime eigentlich zu lachen?
China hieß schon immer das Land des Lächelns. Die können wahrscheinlich nicht anders. Habituelles Grinsen. Die sind schon lächelnd auf die Welt gekommen, die müssen.
Aber das gilt nicht.
Wir müssen nicht, wir können anders. Wir müssen nicht lachen.  Wir lachen auch nicht.
Wir haben ja auch nichts zu lachen.
Aber damit ist nicht schon alles geklärt.
Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
Das sagen wir so, tun es aber nicht.
Weil wir nicht wissen, wie das geht.

Die Zeiten Paul Gerhardts waren wohl auch nicht ganz verschieden von den unsrigen.
Ganz im Gegenteil.
Gedichtet 1647, als der 30jährige Krieg schon alles ruiniert hatte. Das war überhaupt nicht lustig. Das war überhaupt nicht zum Lachen
Und trotzdem singt er: Auf, auf mein Herz mit Freuden.
Wie kann er nur?
Wie kann er das nur?
Sein Lachen kommt aus der Befreiung, und darum befreit es.
Lachen ist Befreiung, ohne den anderen zu erniedrigen. Eine Befreiung von der Welt, ohne sie fertig zu machen. Dieses Lachen ist nicht zynisch, nicht überheblich. Es ist kein gemeines Lachen. Es kommt aus der Auferstehung und weist der Welt ihre richtige Größe zu. Indem es lacht, wo die Welt sich
verhebt,
überhöht,
vermisst.

Etwas davon hat dieser Satz: Die Erde ist ein Stern. Wir leben im Himmel.
Das ist nur ein Lächeln, aber in ihm steckt neuer Schwung.
Allein schaffen wir das nicht. Wir brauchen jemanden, der uns in Schwung bringt.

Das aber ist es, was Paul Gerhardt zu seinem Herzen sagt: jetzt lach mal und komm aus deiner Grube heraus.  Denn Du bist befreit. Zuallererst von Dir selbst und damit auch von allem, was dich quälend umgibt, auch wenn es immer noch da ist.
Auf, auf mein Herz mit Freuden
Ist wie die Antwort auf den Engelruf: Fürchtet Euch nicht!

Wir leben in einer Zeit, in der die meisten unserer Mitmenschen nicht fürchten  Gott noch  Teufel. Nur vor der Meinung der Nachbarn haben sie Angst. Da haben sie Angst, sich bei ihnen lächerlich zu machen. Darüber können sie gar nicht lachen.
Und wie steht es  mit uns?
Ich glaube, wir müssen uns nicht verstecken.
Wir sind genauso gut, wie die Jünger zum Beispiel, die wir beim Evangelisten Lukas in einer ganz komischen Situation antreffen.

Christus, der Auferstandene kommt zu ihnen und begrüßt sie: Friede sei mit euch?
Die Jünger zitterten  noch am ganzen Leib und konnten vor Sorge um sich selbst ganz und gar nicht lachen. Da kommt der, der gerade gekreuzigt worden war,  in ihre Mitte. Nicht wütend, nicht niedergeschlagen, nicht rachedurstig – sondern mit dem Friedensgruß.

Da kommt er lächelnd in ihre Mitte, als die Emmausjünger gerade dabei sind, von ihrer Begegnung zu erzählen. Wie sie den Herrn erkannt hatten an der Art, wie er das Brot brach.
Und da steht er unter ihnen wie der Geist der Erzählung der beiden Jünger.
Alle erschrecken  bis ins Mark.

Sie glauben einen Geist vor sich zu sehen. Ein Geist ist nicht nur jemand, der keinen Leib, keinen Körper hat, sondern den man nicht berühren kann, weil er wie Luft ist, ohne Materie, und wie unsere Definitionen lauten. Wir denken an den Religionslehrer und sind vorsichtig.

Jesus begreift ihren Schrecken und beruhigt sie: Ich bin kein Geist, schaut mich an, meine Hände, meine Füße und die Wunden darin. Und dann: Fühlt mich an, berührt mich.

Aber die Jünger können es nicht.

Da greift Jesus zum bewährten Mittel und fragt: Habt ihr hier etwas zu essen?
Er denkt, wenn sie mich richtig gehend essen sehen, dann werden sie glauben, dass ich wirklich bin und kein Geist.
Also: Habt ihr hier was zu essen?
Und sie bringen ihm gebratenen Fisch und Honigseim.
Fisch und Honigwaben. Er nimmt beides, setzt sich an einen Tisch und isst. Derweil stehen alle Jünger um ihn herum und schauen ihm beim Essen zu.
Das ist der Beweis seiner Auferstehung. Er isst.
Übrigens trinkt er nicht. Als ob jemand durchaus tot sein könnte, auch wenn er trinkt. Nur der Essende gilt. Haben die Katholiken also Recht?
Ihm schauen die Jünger zu und es fällt der Schrecken von ihnen ab. Ihrer Furcht, ihrer Panik nimmt der Essende vor ihnen die Nahrung.
Eigentlich müssten die Jünger jetzt hell auflachen, Freudensprünge vollführen, die ersten sein, die das Osterlachen anstimmen. Denn der, der von den Toten auferstanden ist, hat alles Sterbliche in seine Schranken gewiesen.  Jetzt ist die Welt klein mit Hut.
Und was meint ihr, wie das Lukasevangelium schließt und uns in diese Welt entlässt. „Sie aber kehrten wieder nach Jerusalem mit großer Freude und waren allewege im Tempel und priesen Gott“