Bildpredigten

Predgt zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konznetrationslagers Auschwitz

  1. Psalm 78, 1-7Eine Unterweisung Asafs. Höre, mein Volk, meine Unterweisung, neiget eure Ohren zu der Rede meines
  2. Mundes! Ich will meinen Mund auftun zu einem Spruch und
  3. Geschichten verkünden aus alter Zeit. Was wir gehört haben
  4. und wissen und unsre Väter uns erzählt haben, das wollen
  5. wir nicht verschweigen ihren Kindern; wir verkündigen dem
  6. kommenden Geschlecht den Ruhm des HERRN und seine
  7. Macht und seine Wunder, die er getan hat. Er richtete ein
  8. Zeugnis auf in Jakob und gab ein Gesetz in Israel und gebot
  9. unsern Vätern, es ihre Kinder zu lehren, auf dass es die
  10. Nachkommen lernten, die Kinder, die noch geboren würden;
  11. die sollten aufstehen und es auch ihren Kindern verkündigen
  12. dass sie setzten auf Gott ihre Hoffnung und nicht vergäßen
  13. die Taten Gottes, sondern seine Gebote hielten.
  14. Der Friede des Herrn sei mit Euch allen.
  15. Liebe Gemeinde,
  16. Dieser Psalm 78 ist einzig unter den Psalm: Er ist ein Geschichtspsalm, er ist ein Danklied. Er redet von der Begegnung des Ewigen mit seinem Volk,  von dessen Abkehr und neuerlicher Zuwendung. Er bindet die Großväter an die Enkel und die Kinder an die Eltern. Er verbindet  die Generationen miteinander. Wenn die Generationen zu einander gebracht werden, dann ist das wie ein Vorgriff auf die Ewigkeit. Von Geschlecht zu Geschlecht - bis der Herr kommt.
  17. Maleachi, der letzte der kleinen Propheten, benennt es mit diesen Worten: Siehe, ich will euch senden den Propheten Elia, ehe der große und schreckliche Tag des Herrn kommt. Der soll das Herz der Väter bekehren zu den Söhnen und das Herz der Söhne zu den Vätern, auf dass ich nicht komme und das Erdreich mit dem Bann schlage.
  18.  
  19. Das Erzählen der Geschichten des Ewigen mit seinem Volk hat einen deutlichen Sinn und ist mit einer unmißverständlichen Mahnung verbunden. In unserem Psalm  lautet die Mahnung: die sollten aufstehen und es auch ihren Kindern verkündigen, dass sie setzten auf Gott ihre Hoffnung und nicht vergäßen die Taten Gottes, sondern seine Gebote hielten, und nicht würden wie ihre Väter, ein abtrünniges und und ungehorsames Geschlecht, dessen Herz nicht fest war.
  20.  
  21. Welche Geschichten erzählen wir aber an diesem Tag der Erinnerung an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz von uns Deutschen. 
  22. Sollen wir die Erinnerung überhaupt mit diesem Zusatz  „von uns Deutschen“ belasten? Warum sprechen wir überhaupt von Befreiung des KZs und nicht von der Befreiung der noch nicht ermordeten Menschen? Es wurden doch Gefangene befreit und nicht nur ein Gelände.
  23. Es stimmt wohl, dass in der Rede vom befreiten Konzentrationslager auch der Versuch anbahnt, die Deutschen  als Täter aus dem Rampenlicht zu bewegen. Aber die Konzentrationslager sind doch auch   unauslotbare schwarze Löcher. Sie können wir nicht zuschütten. Wir können sie nicht offen lassen, denn sie haben die Anziehungskraft des Bösen. Ein Netz darüber ziehen, das stark genug ist zu tragen und doch die Erschütterung nicht verbirgt.
  24. Nicht werden wie unsere Väter. 
  25. Welche Geschichten erzählen wir uns und unseren Kindern? 
  26. Damit sie nicht werden wie ihre Großväter und Großmütter?
  27. Zum Beispiel, wie am selben Tag, an dem die Hamas Israel überfiel und so viele  Kinder Israels ermordeten und  verschleppten, wie noch an diesem selben Tage weltweit Menschen auf die Straße und gegen Israel protestierten. Israel war gelähmt, unfähig zu Handeln, und gerade  diesem Augenblick der  Schwäche gab dem Hass das Leben.  Ich erinnere mich an die Stimme eines australischen Journalisten. Er sagte zu den Demonstranten Konntet hier nicht wenigstens solange warten, bis Israel reagiert.
  28. Wollten sie nicht.
  29. Bei uns auch nicht.
  30. Darum sollten wir uns nicht beirren lassen:  Wenn unsere Freunde  zu uns  sagen, und sie werden immer mehr: Ja, schrecklich, was am 7. Oktober geschah, aber Netanyahu, - dann ist das die Rationalisierung von etwas Tiefsitzendem. 
  31. Mit Verstörung haben Juden zur Kenntnis genommen, wie unmittelbar nach der Shoa sich ein weltweiter Antisemitismus erhob.
  32.  
  33. Immer geht es im Grunde um das Sein oder Nichtsein des jüdischen Volkes. 
  34. So sind unsere Geschichten. 
  35. Weil dies nicht alles sein darf, was wir zu sagen haben, gilt auch für uns die Aufforderung: Neiget eure Ohren und höret die Geschichten der anderen. Macht sie euch zu eigen. 
  36.  
  37. Bei dem vorbereitendem Treffen am Mittwoch haben Sie uns,  Kantor Loewenheim, im Nachgespräch andeutungsweise vom Schicksal Ihrer weit verzweigten Familie erzählt. Bis hinaus zu Arnold Schönberg. Von  den 10. 000 Briefen, die in diesen Tagen  im kalifornischen Feuer unwiederbringlich verloren gegangen sind. Und den Angehörigen, die hineingetrieben wurden.
  38. Wir haben gehört und zugehört. Und zugleich haben wir  verstanden: das ist zwar auch  unsere Geschichte. Aber so könnten wir sie nicht erzählen. Aber hören und wiedergeben. 
  39. Damit wir nicht werden wie unsere Väter und unsere Mütter.
  40. Von denen in der Bibel heißt, sie hätten saure Trauben gegessen, und den Kindern werden die Zähne stumpf.
  41. Nicht werden, wie unsere Väter. Unsere stumpf gewordenen Zähne sind unsere Erinnerung.
  42. Erzählen wir unsere Geschichten , wie wir dahinein verwickelt sind. Und warum.
  43. Erster Schritt: zuhören und fragen. Neugierde würde uns abverlangt. Neugierde war die Tugend, die Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben hat.
  44. Mein Eindruck ist: wir wollen nicht raus. Wir sind vernarrt in den pränatalen, Zustand der Unschuld.  Und wenn uns der kalte Wind vor dem Paradies um die Ohren pfeift, dann wollen wir wieder zurück.
  45. Antisemitismus hat bei uns keinen Platz.
  46. Nie wieder ist jetzt.
  47. Raus mit dem Schrecken.
  48. Wir bleiben hier.
  49. Die AFD verbieten. 
  50. Damit unser Land politisch und  moralisch sauber bleibt. 
  51. Bertolt Brechts Schlußstrophe : umarme den Schlächter, aber ändere die Welt, sie braucht es, würde heute angeklagt vor Gericht stehen.
  52.  
  53. Mit wem sässe der Rechtliche nicht zusammen
    Dem Recht zu helfen?
    Welche Medizin schmeckte zu schlecht
    Dem Sterbenden?
    Welche Niedrigkeit begingest du nicht, um
    Die Niedrigkeit auszutilgen?
    Könntest du die Welt endlich verändern, wofür
    Wärest du dir zu gut?
    Wer bist du?
    Versinke in Schmutz
    Umarme den Schlächter, aber
    Ändere die Welt: sie braucht es!
  54. Wir spüren, wie unendlich weit entfernt uns diese Haltung ist.
  55. Es gibt diese Sehnsucht in unserem Land, nicht schuldig zu sein. Kindisch ist das. 
  56. Gerade bei unserer Vergangenheit.
  57. Luthers - als Christ sind wir gleichzeitig Sünder und Gerechtfertigte - war wohl mal gedacht als  starke Brandmauer gegen Sucht,  unschuldig zu sein. Diese Unschuldssehnsucht, die uns daran hindert,  erwachsen zu werden, und andere tötet.
  58. Was zum Zusammenbruch dieser Mauer geführt hat, ist das Rätsel, das wir noch  zu erzählen haben. Warum das Christentum uns vor den Gefahren unserer Seele nicht retten konnte.
  59. Wem von uns fiele hier nicht, die Posener Rede Himmlers vor seinen SS Angehörigen ein: Von Euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben, und dabei – abgesehen von menschlichen Ausnahmeschwächen – anständig geblieben zu sein… 
  60. Das ist das Paradies, aus dem alle anständigen Menschen geflohen wären, wenn sie gekonnt hätten. 
  61.  
  62. Einige Übersetzer meinen, man könnte den Psalm auch anders lesen: Statt ‚Ich will meinen Mund auftun zu einem Spruch und Geschichten verkünden aus alter Zeit‘ sagen sie:  ‚Ich will meinen Mund auftun zu einem Spruch und Rätsel verkünden aus alter Zeit.‘ 
  63. An Stelle von Geschichten Rätsel.  Rätsel bleiben Geschichten, aber sie sind unverständlich, ungelöst. Soll man sie trotzdem erzählen? Als Rätsel, oder ob sie keine mehr wären.
  64.  
  65.  
  66. Auf dem Gottesdienstheft trägt der Prophet Jeremia ein Joch. Die Skulptur des Bildhauers Waldemar Otto steht in Chicago und an der Kirche der Zuflucht und Jeremiagemeinde in Spandau. Sie zeigt den Propheten im Augenblick seiner größten Niederlage. Mit dem Joch trat der Prophet vor das Volk Israel um zu sagen: Das ist die Zukunft, die euch droht. Gefangenschaft. Doch sein Widersacher trat an hin heran und zerbrach vor dem versammelten Volk  das Joch auf seinem Rücken.  Kein Joch - keine Knechtschaft.
  67. Der Prophet Jeremia verliert - das Volk gerät in Gefangenschaft. 
  68.  
  69. Rätsel wie diese hören wir an und erzählen sie weiter.
  70. Rätsel wie diese,  werden uns nicht berichtet, dass wir sie lösen.  Das Joch wird zerbrochen und   die Knechtschaft bleibt.
  71.  
  72. Unser Volk ist dabei,  das Joch abzulegen. 
  73. 80 Jahre ist genug.
  74. Stolz ein anständiger Deutscher zu sein.
  75. Und wir als Kirche, befreien wir uns jetzt auch? 
  76. Obgleich wir  noch immer nicht wissen, was in uns vorging, als wir das Volk  Gottes vernichten wollten. 
  77. Auch wir waren dabei. 
  78. Ohne die jüdischen Psalmen, ohne seine Lieder, ohne seine Bundesgeschichten - was hätten wir dann in unseren Gottesdiensten sagen wollen?
  79. Warum konnte uns das passieren?
  80. Die jüdische Schriftstellerin Margarete Susman erzählt  zu Beginn ihres 1946 veröffentlichen Buches  „Das Buch Hiob und das Schicksal des jüdischen Volkes,  ein indische  Urwort. 
  81. Einst wurde auf die eine Schale der großen Waage die Welt gelegt und auf die andere Schale ein Lotusblatt, auf das der Name Gottes geschrieben stand - und die Schale mit dem Lotusblatt sank.
  82.  
  83. Heute ist die Schale mit der Erde ganz tief gesunken.
  84. Denn der Name auf dem Lotusblatt ist verblasst. Durch gedankenloses Dahinsagen, durch sonntägliche  gleichgültige Abnutzung des Namens des Ewigen hat dieser an Gewicht verloren. 
  85. Durch Radieren.
  86. Der Name ist für uns nicht mehr der Allergrößte. Oft, wenn er ausgesprochen wird, hören  wir nicht hin. Ja, neigten wir  noch wie damals unsere Ohren, wenn wir den Namen des Herrn hörten, die Schale mit dem Lotusblatt würde sinken, die der Erde steigen.
  87. Aber wir hören nicht mehr hin. 
  88. Er wird auch nur selten noch genannt
  89.  
  90. Die Erde ist uns schwer geworden. Unendlich schwer geworden. Alles andere erscheint uns demgegenüber leicht. Nur die Erde macht uns Sorge. Das Blatt mit dem Namen haben wir vergessen. 
  91. Alle unsere Sorge geht auf  Bewahrung der Schöpfung.   Der Name des Schöpfers  wird nicht mehr genannt.
  92. Menschengemachter Klimawandel.
  93. So ist es passiert, dass die Schale mit der Erde immer tiefer gesunken  ist - und wir mit ihr. Die Schale mit dem früher einmal sichtbaren Namen Gottes schwebt nun  hoch über uns wie eine Pusteblume, wie eine Seifenblase, wie eine weiße Wolke, ungeheuer oben
  94.  
  95. Das Buch erschien 1946 in der Schweiz. Ein großartiger  Versuch, den Namen des Ewigen wieder sichtbar und hörbar werden zu lassen.  Nicht zu machen, sondern werden zu lassen. Aufmerken und Hinhören.
  96. Beugen und Neigen.
  97. Mit Schaudern höre ich in diesem Zusammenhang von Erinnerungsarbeit sprechen. 
  98.  
  99. Arbeit -  ist für mich Teil der  Rätselgeschichte des Protestantismus. 
  100. Das Wort Arbeit ist so stumpf geworden wie das Wort anständig Unsere stumpfen Zähne. 
  101. 1985 war ich mit Aktion Sühnezeichen  Polen. Warschau, Krakau, Breslau, Auschwitz. Dort haben wir gearbeitet. Wege und Flächen gereinigt, damit kein Gras über die Vergangenheit wächst. Für Kleidung und Rhythmus der Arbeit gab es Vorschriften. Als ob diese anders ausgeführt nicht wirksam wären. Unser Arbeiten wurde mir unheimlich angesichts der alles bestimmenden Torüberschrift „Arbeit macht frei“. 
  102. Ein Gespräch über das, was da stand, und dem, was wir taten, konnte nicht geführt werden. 
  103. Als ob da etwas tief verborgen wäre, bis zu dem  wir  nicht hinabreichten. Weil es etwas sehr Eigenes ist. Denn Arbeit macht frei klingt doch wie eine aus der evangelischen Ethik entliehene Maxime
  104. Arbeit verhilft wieder in den Stand der Unschuld.
  105. Ein Volk, das diese wirtschaftlichen Leistungen erbracht hat, hat ein Recht darauf, von Auschwitz nichts mehr hören zu wollen. In Zitat, nicht von F.J.Strauss, aber trotzdem nicht tot zu kriegen. Es passte damals einfach zu gut  zum Wirtschaftswunder. Die Schuld ist abgetragen, gesühnt, gebändigt. 
  106. Unsere Knechtschaft ist zu Ende.
  107. Das Joch zerschlagen
  108. Arbeit muß nicht mehr sein.
  109. Work-Life-Balance. 
  110. Wir sind jetzt frei
  111. Arbeit braucht es nicht dazu. Für die Bedürfnisse des Alltags reicht ein bedingungsloses Grundeinkommen.
  112. Daß Deutschland nun einschläft, und so vieles verschläft, wäre an sich nicht bedenklich, wenn man nicht jene fürchten müsste, die erneut mit dem Schlachtruf Deutschland erwache  auf der Bühne erscheinen könnten. Ein Schlachtruf, der nur gehört wird, wenn ihm ein verrecke folgt. 
  113. Die Deutschen treiben die Dinge soweit, bis sie böse werden. Wenn ich mich nicht täusche hat dies Churchill über uns gesagt.
  114. Klimawandel, Energiewende, die Wahrheit dieses Satzes ist noch nicht aus unserer Welt.
  115. Das ist Teil unserer rätselhaften Geschichte.
  116. Keine Geschichte Gottes mit unserem Volk, oder eine sehr verborgene, eine verbogene Geschichte. Sie muß zwar unbedingt erzählt werden, aber sie baut nicht auf.
  117.  
  118. Sie haben die Evangeliumslesung noch im Ohr. Meister, was ist das vornehmste Gebot. Jesus antwortet ihm: Höre Israel, der Herr unser Gott, ist allein der Herr, und du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüte und von allen deinen Kräften.
  119. Wir hingegen bürden dem, der so fragt, die ganze Last der Erde auf. 
  120. Das Gottesdienstheft war schon fast fertiggestellt, als noch der Kollektenzweck nachgereicht werden mußte: wir sammeln heute für die Bläserarbeit.
  121. Das ist nicht nur hier so, das ist bei uns in der Kirche immer so: Wir, die wir von der Gnade Gottes leben, allein aus Glauben und Gnade, nehmen in unseren Gemeinden doch unsere Zuflucht zur Arbeit: Frauenarbeit, Männerarbeit, Seniorenarbeit, Konfirmandenarbeit, Kinderarbeit, Bibelarbeit, Chorarbeit, Gottesdienstarbeit, manche sprechen von Erdarbeit auf dem Friedhof, bestimmt aber Trauerarbeit. So sagen und schreiben wir seit Jahrzehnten, als ob nichts geschehen wäre. Als wäre die Arbeit unser legitimer Zugang zur göttlichen Erlösung. 
  122. Unsere unausrottbare Neigung zur Werkgerechtigkeit und Selbsterlösung. Wir verlieren uns im Tun.
  123. Unser Name ist Marta.
  124. Was  Jesus zu Marta sagte gilt auch uns: Marta, Marta. Du hast viel Sorge und Mühe.Eins aber ist Not. Maria hat das gute Teil erwählt. Das soll nicht von ihr genommen werden.
  125. Von Maria hieß es zuvor. Sie setzte sich zu Jesu Füßen und hörte Jesu zu. Ganz wie in den großen Psalmen. 
  126. Lernen von Maria. Amen.

 

 

kanzel hell

Über teofilo.de

Theophil war der Vorname meines Vaters. Mein Vater wurde ein paar Monate vor meiner Geburt aus Russland als vermisst gemeldet. Durch meinen langen Aufenthalt in Italien hat sich der Name Theophil um ein erstes "h" und sein "ph", das zu "f" geronnen ist, verschlankt. Ich selber nicht.

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