Wenn wir diese Krise überwinden, wird die Welt eine andere sein.
Das sagen jetzt sehr viele.
Eigentlich sollte man das Gegenteil erwarten. Nämlich:
Wenn wir diese Krise nicht überwinden , wird die Welt eine andere sein.
Mit anderen Worten: Ob wir die Krise überwinden oder nicht überwinden - das Ergebnis wird immer das gleiche sein.
Das ist ein ziemlich enttäuschendes Resultat, findest Du nicht auch, lieber Leser?
Denn es zeigt, dass das Schicksal zu uns zurückkehrt ist und nun über uns kommt. Das ist sehr überraschend. Hatten wir doch längst das Ende des Schicksals gefeiert. Wenn alles, was uns umgibt, gemacht ist, dann gibt es kein Schicksal mehr. Nur das Gemachte ist das Wahre. Sogar das Klima machen wir, wenn auch schlecht. Aber wir machen es. Aus Schicksal ist Machsal geworden, wie Odo Marquard formulierte.
Und nun dies: Wir haben es nicht mehr in der Hand, wie die Welt wird. Was immer wir auch tun - sie wird anders werden.
Aber wie sollen wir mit der neuen Herausforderung durch das Schicksal umgehen? Manchem Klerus ist es nicht peinlich, seinen Gott zum Vollstrecker seiner niedrigen Beweggründe auszurufen. Wegen der gleichgeschlecht.ichen Ehe, der Abtreibungen, der aktiven Sterbebegleitung habe ihr Gott das Virus über uns kommen lassen. Es ist wirklich peinlich.
Peinlich muss uns aber auch sein, dass wir, die Menschheit, die alles machen kann, sogar das Schicksal in den Ruhestand schicken konnte, jetzt in ihren Spitzenkräften ratlos vor einem Menschenfeind steht, gegen den sie kein Mittel in der Hand hat. Eine Pandemie, die sich gegen die gesamte Menschheit wendet, der wir kein siegreiches Mittel entgegen zu setzen haben. Stattdessen malt die Wissenschaft in so vielfältigen Farben von schwarz bis weiß, als ob es darum ginge, sich bis auf die Knochen zu blamieren
Weite Teile der Politik greifen in dieser Not zu dem Mittel, mit dem die Menschen immer schon das Schicksal und die Götter besänftigt haben. Zum Mittel des Opferns. Leider weiß man nicht mehr, wie man richtig opfert.
Darum opfern wir auf diese maßlose Weise. Gleich den hundert Stieren, der Hekatombe, der Griechen. Um diese nicht sichtbare, nur wirksame Macht zu besänftigen, opfern wir unsere tägliche Arbeit, unsere abendliche Kultur, unsere Geselligkeit, unsere Ökonomie, la Piazza, unsere Mitbestimmung, unsere Freiheit.
Denn wir wissen nicht mehr, wann und wieviel man opfern muss. Wir sind aus der Übung. Wir haben keine Ahnung. Aus Unkenntnis geben wir alles her. Dabei wollten die Götter doch immer nur einen kleinen Teil, verzichteten dafür auf das Ganze. Den gaben sie ihnen, damit sie gut weiter leben konnten. Darum war das Opfer immer ein großes Fest. Ein Fest der Auferstehung.
Wir Ungeübten, in diesen religiösen Dingen so schrecklich Ahnungslosen, werfen hingegen dem Schicksalsgott alles, was uns heilig ist, vor die Füße. Und wenn er dann alles nimmt, stehen wir nackt und bloss vor ihm und vor uns.
Wie wird uns das peinlich sein, wenn wir einmal aufwachen werden. Wir Dilettanten in Opferdingen