Den Radler auf seinem Rad stört nur der Andere.
Das Lachen der Sonne klang heute zu hell, um still im Haus zu sitzen. Also ging es hinaus in die frische Herbstluft - an die Havel. . Mit dem Auto bis zum Jagdhaus hinter der Bürgerablage. Dann zu Fuß den Weg an der Havel entlang nach Henningsdorf, mal lief er bis fast ans Ufer, dann wieder dichter durch den Wald. Das ist der berühmte Mauerweg, breit genug, Fußgänger und Radfahrer aufzunehmen.
Natürlich waren heute noch andere auf dieselbe Idee gekommen. Entsprechend viel los war auf dem Mauerweg. Rücksicht auf einander wäre gestern gut gewesen. Wäre gut gewesen - war aber nicht.
Radfahrer und Fußgänger zusammnen erwies sich wie Feuer und Wasser. Das lag nicht an den Familien, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs waren, sondern an den vielen Einzelzeitfahrern auf ihren Rädern. (Langstreckenläufer gab es keine). Bisweilen waren es auch zwei Radler, die sich ein Verfolgungsrennen lieferten. Viele von ihnen trugen leuchtend grüne oder gelbe Warnkleidung, die bei den meisten Begegnungen mit Wandernden den Klingelton ersetzen sollten. Mit hohem Tempo schossen sie von hinten an uns vorbei oder kamen uns mit beinharten Gesichtern entgegen.
Meine Frau rief einem Radler entgegen: "Die ist hier keine Rennstrecke!" und er rief zurück "selbstverständlich" - und war schon längst vorüber als seine Antwort bei uns ankam.
Es wurde zu einem Gehen unter Gefährdern. Den Begriff haben zwar die Terrorismusbekämpfer für sich reklamiert, aber er passte gestern genauso gut auf den Mauerweg.
Wir haben dann unseren Weg parallel zur Rennstrecke durch das Unterholz fortgesetzt Da mussten wir nur auf Baumwurzeln achten und herumliegendes Totholz und konnten uns fragen:.
Was ist hier eigentlich los? Warum schießen die Radler an uns vorüber als wären wir nur Stangen auf einer Slalom-Piste und niemand bremst sie aus?
Und das sind unsere Antworten:
Einmal fanden wir, dass nicht die Radler Warnwesten tragen solltern, sondern die Fußgänger. Sie sind hier die vom rollenden Verkehr massiv gefährdeten Personen. Eine idiotische Vorstellung, mussten wir uns sagen.
Dann fielen uns diese beinharten, versteinerten Gesichter der Schnellfahrer auf. Um nicht das Tempo zu verlieren, mussten sie natürlich höllisch aufpassen. Auf die Fußgänger, die immer wieder wegen ihrer Unterhaltung nebeneinander her gingen statt hintereinander. Dann gab es jede Menge Herbstlaub auf dem Weg und manchmal auch etwas Schotter unter den Blättern. Um da nicht in eine Gruppe hinein, oder gegen einen dieser vielen Fichtenstämme zu krachen, braucht es die ganze Konzentration.
Aber obgleich dort im Wald keine einziges Auto auf dem Weg parkete oder den gebührenden Abstand von 1,5 Metern nicht einhielt, auch niemand eine sich plötzlich öffnende Fahrertür fürchten musste, war ihre Stimmung schlecht wie auf der Chausseestraße.
Der Grund dafür sind offensichtlich wir Anderen. Die unsympathische Tatsache, dass auf demselben Weg noch andere unterwegs sind. Die Anderen sind einfach zuviel, einer voin ihnen ist schon zuviel und höchstens als ein Hindernis zu gebrauchen, das man wie einen Oxer nehmen muss. Es gab hier zahlreiche Radler, die den Weg nicht mit anderen teilen wollten. Sie bestanden auf ihrem ungeteilten Vergnügen.
Seit die sportliche Betätigung eine Ehe mit der Gesundheitsverfolgung um jeden Preis eingegangen ist, kommt zu dem beinharten Gesicht des Radleres noch der Ausdruck, ein Recht auf Raserei zu haben. Fördert die Gesundheit, und Gesundheit ist alles.
Während unseres Ganges durch das Unterholz wurde uns klar: Radfahren ist weder etwas für den Wald noch für die Stadt. Bei unserem gegenwärtigen Zustand so vieler Radler ist Radfahren kommunikationsfeindlich, Gemeinschaft gefährdend. Das ist so höchstens etwas für die Arena.
Zurück zum Auto auf dem Parkplatz des geschlossenen Jagdhauses sind wir dann noch die Strecke bis rauf nach Hennigsdorf gefahren. Wie zivilisiert, fiel uns da auf, benehmen sich doch die Autofahrer inzwischen. Aber was für ein Barbarentum schwingt sich bei uns in die Sättel. Es ist eine Schande. Der Senat sollte ihnen schnellstens Schnellstraßen bauen, die nur Radler befahren dürfen. Strassen mit Ghettocharakter.