Gott wurde Jude, um uns zu erlösen.
Predigt am letzten Sonntag nach Epiphanias über2. Petrus 1, 16-19
Zufluchtkirche Berlin-Spandau
Die Verklärung Jesu auf dem Berg Tabor.
Für uns, die wir zur Zeit kaum irgendwohin dürfen, wäre es ganz schön, mal auf einen Berg wie den Berg Tabor steigen zu können. Touristische Ausflüge sind aber zur Zeit nicht erwünscht und soetwas ist es auch wohl nicht gewesen, was Jesus und seine Jünger unternommen hatten. Uns würde dort auch nur die Aufgabe erwarten zu bezeugen, was Gottes Stimme sagt: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Das ist der Sinn des Berichtes. Zeugnis davon ablegen, dass Jesus Gottes Sohn ist.
Dass es darum geht, wollen wir nicht aus den Augen verlieren, wenn wir uns kurz vor Augen führen, was Matthäus und Petrus nicht sagen: Südöstlich vom See Genezareth erhebt sich in einer flachen Ebene ein einsamer Berg. Er ist nicht hoch, 600 Meter etwa, aber er übersteigt doch alles Umherliegende um einige hundert Meter. Man hebt seine Augen und sieht ihn schon von ferne.
Dorthin nimmt Jesus drei seiner Jünger als Begleiter mit, damit sie Gottes Stimme bezeugen.
Das ist nun schon zum zweitenmal, dass wir in kürzester Zeit dies Bekenntnis Gottes zu Jesus hören. Zuvor waren es bei seiner Taufe genau dieselben Worte: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
In kürzester Zeit - das bezieht sich auf den 6. Januar und die gewaltige Bedeutung, die er für die frühe christliche Kirche hatte.
Die Taufe Jesu wird seit der frühen Kirche am 6. Januar gefeiert, am Epiphaniastag, Aber das war auch der Gedenktag, an dem die heiligen drei Könige das Kind anbeteten, an dem der Knabe Jesus im Tempel dargebracht wurde, es war der Tag der wunderbaren Brotvermehrung und der wundersamen Weinvermehrung, an diesem Tag feierte die orthodoxe Kirche ihr Weihnachtsfest und man gedachte der Auferweckung des Lazarus vom Tode.
Der 6. Januar, das darf man wohl mit Recht sagen, ist der Tag, den der Herr gemacht hat. Das Bekenntnis zu Jesus erstrahlt in einer Fülle von Wundern, Licht leuchtet überall und die Dinge werden geheiligt. Brot vermehrt sich, Wasser wird zu Wein, Tote stehen auf. Der Tag der Sakramente ist dies, an dem Gott uns Menschen nahekommen will: in der Taufe, im Abendmahl.
Gott kommt uns in diesem Geschehen auch heute nahe, aber er bleibt die Stimme aus der Höhe.
Ich möchte das betonen, weil sich bei uns so eine Art über Jesus zu reden eingeschlichen hat, die uns nicht guttut. Wie oft hören wir und sagen es auch: Gott ist als Mensch in Jesus zu uns gekommen und lebte unter uns, wie einer von uns. Er aß wie wir und trank wie wir, saß mit den Zöllnern und Sündern, feierte mit zweifelhaften Mädchen, wie mit Maria Magdalena, was wir ihm besonders hoch anrechnen. Er dachte wie wir, fühlte wie wir, ängstigte sich wie wir und war auch einsam wie wir manchmal einsam sind.
Kurzum - Jesus unser Bruder. Einer von uns halt.
Gott ist Mensch geworden.
Wenn wir jetzt das Richtige tun, fleißig sind und unsere Aufgabe erfüllen, dann ist Gott mitten unter uns.
Aber was ist dann mit der Stimme, die aus dem Himmel sagt: Dies ist mein lieber Sohn an dem ich Wohlgefallen habe? Ist der Gott, der Mensch geworden ist, nicht zugleich auch der Gott, der im Himmel ist . Ist er nicht dort als das Geheimnis der Welt. Nicht nur Menschensohn in der Welt, sondern auch Herr über der Welt?
Zurück auf den Berg.
Als Gott sich zu Jesus als seinem Sohn bekennt, sind Petrus, Jakobus und Johannes als Zeugen dabei.
Petrus meinen wir zu kennen. Das ist nämlich der, der Jesus dreimal verleugnet hatte und dann bitterlich weinte. Der ist wahrlich einer von uns: Angst vor einer Magd, zerbrechlich und aufbrausend, schlägt anderen die Ohren ab. Er wurde bekanntlich von Jesus zum Grundstein der Kirche erwählt, Das Wortspiel von Petrus und Petra- dem Fels. So lesen wir es in dem Kapitel bei Matthäus, das unmittelbat vor der Verklärung auf dem Berg Tabor steht. Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen. Das sieht man ihr noch heute an. Unbeweglich wie Stein , der zu Sand zerfällt, wenn man sich auf ihn verlassen will. Petrus, der erste Zeuge.
Dann sind da noch die beiden Brüder des Zebedäus: Jakobus und Johannes. Das sind die beiden Brüder, die unbedingt vor allen anderen Jüngern rechts und links von Jesus neben ihm im Paradies sitzen wollten. Das hat ihnen dann viel Ärger bei den übrigen Jüngern eingebracht. Aber nicht genug, gerade diese beiden schliefen immer wieder ein, als sie im Garten Gethsemane mit Jesus wachen sollten.
Das sind die Zeugen, die Jesus mit sich genommen hatte. Trotz ihrer nachgewiesenen Unzuverlässigkeit. Oder gerade deswegen?
Es kommt mir fast so vor
Denn das entspricht ganz dem Geist Gottes, seines Vaters. Wie oft hat Gott in der hebräischen Bibel die Schwäche seines Volkes gewählt, wenn es darum ging, zu siegen. Damit das Volk nicht sagen könnte: Ich habe gesiegt, sondern bekennen muß: unser Herr hat den Siege davon getragen. Richterbuch 7 zum Beispiel, wo der Hauptmann Gideon nur 300 von 32000 Soldaten mit in die Schlacht nehmen darf, eben jene, die Wasser aus der Hand und nicht direkt aus dem Fluß getrunken hatten. Nach ganz willkürlichen Kriterien, die gar nichts mit Tapferkeit zu tun hatten.
Wenn Ihr mich fragt, warum Gott gerade diese drei schwachen Zeugen ausgewählt hatte, dann würde ich sagen: Um solche Zeugen wie uns nicht auszuschließen. Auch uns kann Gott gebrauchen. Wir sind wie Petrus, Jakobus und Johannes. Wir schlafen wenn wir wachen sollen, wir drängeln uns vor die anderen, wenn es um etwas geht und wir verleugnen statt zu bekennen, wenn wir dumm von der Seite angesprochen werden. Deshalb sind wir auch gefragt.
Gott ist stark, um auch schwache Zeugen gebrauchen zu können.
Darum sollten wir statt immer zu sagen, Jesus ist einer von uns sagen: wir sind wie seine Jünger, die sich alle davonmachen, wenn der Herr gekreuzigt wird. Und trotzdem ruft uns Gott in seinen Dienst, und trotzdem folgten sie ihm nach
Gehen wir wieder zurück auf den Berg zu Jesus und seinen drei Jüngern. Wir wissen jetzt, wie sie sind und wie wenig Grund wir haben, uns über sie zu erheben. Wir sind wie sie. Zusammen mit ihnen hören wir die Stimme aus dem Himmel: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
Das Wort Gottes nach der Taufe und hier auf dem Berg. Daran ist etwas neu. Es ist anders als zu Weihnachten. Da singen wir: Gottes Sohn ist Mensch geboren, hier hören wir, der menschgeborene Jesu ist mein geliebter Sohn. Zu Weihnachten steigt Gott zum Menschen herab, in der Taufe nimmt Gott den Menschen hinauf. Und zwar einen ganz konkreten Menschen, den Sohn Marias und Josefs, der schon eine Vergangenheit hat: Flucht nach Ägypten, Vorstellung im Tempel, Berufung der Jünger, Taufe im Jordan.
Auf dem Berg Tabor können wir sagen, hat Gott den Juden Jesus, das ist Jehoschua, das bedeutet Gotthilf, als seinen Sohn benannt.
Warum haben wir das als Christen nicht so auch gesagt: statt zu sagen Gott ist Mensch geworden, Gott ist Jude geworden. Das hat sich doch gerade ereignet. Der Engel sagt dieses dem Josef, der sich davon machen will: Maria, deine Angetraute, wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden. So berichtet es der Evangelist Matthäus. Wenn wir das immer auch so gesagt hätte, wäre dann viel Unrecht, Verfolgung und Mord nicht geschehen?
Gott wurde Jude und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit.
Hört Ihr, wie ganz anders das klingt, wären wir nur konkret geblieben.
Stattdessen haben wir uns von unseren Wurzeln gelöst und sind auf den Menschen gekommen. Das inzwischen abstrakte, abgedroschen, nichtssagende Wort Mensch und sein sintflutartiger Gebrauch, das ist die zweite Pandemie unter uns. Immer meint es alle und keinen: Die Menschen in unserem Lande. das Wohl des Menschen, ich bin für die Menschen da. Kaum ein Politiker, der das nicht so sagt. Die so Angerufenen aber haben gar kein Gesicht, keine Geschichte, man hört ihre Sprache nicht. Der nackte Mensch. Das ist wirklich fatal.
Dabei ist das Wort Mensch seinem Ursprung nach gar nicht universell. Es tut nur so. Tatsächlich bedeutete es im althochdeutschen nur der Mann. Die Frauen waren ausgeschlossen und sind es eigentlich bis heute, wenn wir Mensch sagen. Hilfsweise hieß es zwischendurch Das Mensch, wenn man von Frauen mit schlechtem Ruf redete.
Ja, Gott ist Mensch geworden, das stimmt trotzdem. Aber in Jesus, und dessen Wurzeln sind im jüdischen Volk.
Hätten wir Christen dagegen über 2000 Jahre hin genau dies gesagt: Gott wurde Jude , um uns zu erlösen. Und er trug den Namen Gotthilf, Jehoschua, Jesus, dann hätte es die nicht zu zählenden Verfolgungen der Juden gar nicht geben dürfen, nicht geben können. Dann hätte niemand angesichts der Juden, die noch vor den Augen einiger von uns abtransportiert wurden, denken können: Geschieht ihnen recht, denn sie haben ja unseren Herrn Jesus ans Kreuz geschlagen. Denn unser Erlöser war ja selber Jude.Jesus wurde gleichsam zusammen mit ihnen abgeführt. Denn er war einer von uns und einer von ihnen.
Am vergangenen Mittwoch wurde weltweit der Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee begangen.
Wer sich dem Geschehen in diesem Lager stellen will, spürt nach wie vor, dass ihm dazu die Worte fehlen.
Wir sagen in unserer Not: Das darf nie wieder geschehen. Wie das vermieden werden kann, wissen wir selber nicht. Es könnte uns vor dem größten Irrtum schützen, wann immer wir sagen oder denken. Gott ist Mensch geworden, hinzuzudenken: Gott wurde zuerst Jude mit dem Namen Jesus um sein Volk zu erlösen. Dann hätten wir einen wichtigen Schritt getan.
Amen.