Covid Jona
Wie so viele andere macht mich das langsame Impftempo bei uns in Deutschland nervös, auch dass der Tod in den Seniorenheimen soviel schneller war als die, die ihn hindern sollten. Man könnte meinen, es ginge gar nicht um einen Sieg über das Virus, sondern um etwas anderes, nicht Genanntes. Da das Virus der erklärte Feind der gesamten Menschheit ist, darf man doch wohl eine umfassende Attacke erwarten. Statt Angriff jedoch überall nur Verteidigung und lockdown im Bunker.
Als wären wir mit einem Angriff gegen uns selber eher einverstanden als mit einer Attacke gegen Covid 19.
Gerechtigkeit spielt eine so große Rolle, die beschlossenen Reihenfolgen einhalten, koste es, was es wolle. Dann das Recht der unversehrten Privatsphäre. Das erinnert fatal an Geschichten von EdgarAllen Poe, in denen die Hauptperson von den Abenteuern erzählt ohne zu reflektieren, dass er bald das Opfer sein wird.
Das beschreibt die Vorgänge um uns herum nur zum Teil.
Nachrichten ganz anderer Art haben mich geweckt und nachdenklich gemacht und auf Gegenkurs gebracht: Die FAZ interviewte am 3. März dieses Jahres den Chef der Heraeus Noblelight, Martin Ackermann, über sein Anti-Covid 19 Produkt. „Das ist ein UV Licht, dass Räume Viren frei halten kann. Mit der Corona-Krise rückten sogenannte UV-C-Lampen ins Zentrum des Interesses einer breiten Öffentlichkeit. Sie senden Licht aus, welches das Erbgut von Bakterien und Viren ausschaltet.“(FAZ) Es wird aber nicht nachgefragt. Nur gerade einmal durch die Stadt Hanau. Weil in Hanau gerade der Firmensitz ist. Und in Israel. Herr Ackermann bezifferte die Kosten zur Reinigung der öffentlichen Räume in Deutschland auf ca 1,5 Milliarden Euro. Die Technik scheint aber als Maßnahme nicht akzeptiert zu werden. Zwar wird es begleitet von einer Expertise des Fraunhofer Institutes. Das macht jedoch keinen Effekt.
Wie auch bei dieser anderen Entwicklung.
Eltern hatten für die Klassenräume ihrer Kinder Luftfiltergeräte angeschafft, die die Luft der Klassenräume praktisch virenfrei filtern können. Die Schule, die Stadt, das Land, der Bund kamen nicht auf die Idee. Darum wurde dies den Eltern zunächst sogar auch untersagt. Weil es eigentlich nicht angehe, dass Privatleute öffentliche Zuständigkeiten okkupierten. Schleswig-Holstein ließ einen Luftfilter probelaufen, befand ihn aber zu laut. Was die Produzenten in Erstaunen versetzte, da sie die Geräusche auf ein absolutes Minimum gebracht hätten. (Fürs Haus habe ich auch ein Gerät gekauft. Es ist tatsächlich, wenn es arbeitet, kaum zu hören.)
Ich weiß nicht, welche großartigen Entwicklungen zur Vertilgung von Covid 19 noch erfunden worden sind, die auch nicht zum Zuge kommen. Obgleich sie in unserem Land erfunden wurden - wie das Noblelight in Hanau und die Luftreiniger von ALFDA aus der Nähe von Passau. Es würde mich nicht wundern, da diese Entwicklungen in die falsche Richtung zu weisen scheinen. Sie haben gemeinsam, dass sie das Virus selbst attackieren.
Was könnte man gegen Luftfilter und UV-C-Lampen in öffentlich genutzten Räumen einwänden? Ich weiß es nicht, vermute aber mal, dass es riskant sei, da es ja eine hundertprozentige Sicherheit nicht gebe.In anderen Gesellschaften ist dies das Argument, sie einzusetzen. Warum auf noch größere Sicherheit warten, vollständige Sicherheit erreichen wir so wie so nicht.
Darum herrscht lockdown, und seine Herrschaft hat kein Ende, wie es scheint. Unter Ausschaltung jeglicher Ingenieurskunst geht es gleich ums Ganze, um alles oder nichts. Wer überleben will muß zuvorderst auf den Boden: tertium non datur: keine Geselligkeit, kein Sport, kein Reisen, keine Kultur, kein Kino, kein Essen, keine Leben in Hotels - in luftgefilterten Räumen. Ohne Blick auf die technischen Möglichkeiten sind das alles nur unerlaubte Träume.
Seit einem Jahr hocken wir in unseren vier Wänden und schauern sehnsüchtig aus dem Fenster oder angeödet auf den Bildschirm. Wir staunen über die Macht des Virus, der große Reiche in die Knie zwingen kann und spüren, wie die Achtung in uns wächst
Stolze Unternehmen sind in die Abhängigkeit vom Staat geraten. Sie werden bezahlt, damit sie nicht arbeiten, am Boden bleiben. Es wirkt fast wie die Rache der Politik. Jahrzehnte hat man sich über sie als den Büttel der Industrie erhoben. Sie sind nur ausführende Knechte der in Wahrheit herrschenden Wirtschaftsbosse. Jetzt kann die Politik einmal den Spieß gegen umdrehen und öffnen und schließen, wie es gerade der Augenblick verlangt. Bestimmt verschafft ihr das große Genugtuung. Einigen Abgeordneten verschafft es sogar unternehmerische Gewinne.
Aber ich glaube nicht, dass hier der Grund für diesen so weit gestreuten lockdown liegt. Mich erstaunt besonders, wie schon gesagt, dass überall wir und unsere Lebensform bekämpft werden, das Virus selbst hingegen unbehelligt bleibt. Man sollte meinen, das Virus würde in den lockdown gezwungen. Doch davon kann keine Rede sein. Wir bekämpfen es sozusagen durch ein Embargo wie den Iran, in dem wir es die Nahrung entziehen.
Gerade liegt der Tsunami von Fukushima zehn Jahre zurück, der in Japan eines von vier Atomkraftwerken zerstörte. Drei haben das Erdbeben und die Flutwellen überstanden, denn sie waren regelkonform gesichert. Fukushima nicht.
Der Ausstieg aus der Atomenergie kam in Deutschland postwendend. Anders als noch nach der Katastrophe von Tschernobyl. Sie hatte nur die Gründung des Bundesumweltministeriums bewirkt, die Warnung vor Pilzen, besonders Pfifferlingen und Maronen, und die Absagen von Schulfahrten in den Ostblock.
2011 hingegen gab es dann einen totalen Lockdown, der sich im kommenden Jahr 2023 vollenden soll. Es gab zwar Einwände, Erdbeben mit dadurch ausgelöstem Tsunami und folgender Reaktorkatastrophe seien bei uns nicht zu befürchten. Aber Angst kommt bekanntlich ganz ohne Begründung aus.
Offensichtlich ist in den Jahren von 1986 bis 2011 Entscheidendes geschehen.
Der Optimismus, Probleme durch die Technik zu lösen, schwand vor einem wachsenden Zukunftsunwillen. Vor einem Unwillen, der sich schon da als ganz konkrete Forderung niederschlug: Stichwort ENDLAGERUNG für den anfallenden Atommüll. Man suchte und sucht wohl immer noch ein sicheres Verließ für die nächsten eine Million Jahre. Das bedeutet nicht Lösung in der Zukunft, sondern die kommenden Jahrtausende heute schon wie Vergangenheit zu behandeln.
Was für eine mystische Forderung! Großartiges Beispiel für menschliche Hybris, heute die Verantwortung für die nächsten dreitausend Generationen zu übernehmen. Zugleich deren Entmündigung, keiner kommenden Generationen zuzutrauen, eine bessere Lösung zu finden als ein Grab.
Klingt wie die Suche nach dem Bergwerk zu Falun und jener Mentalität, die dem irdische Leben gänzlich zu entsagen vermag, um sich ganz dem Gestein zu widmen.
In Schweden, der Heimat des Bergwerks Falun, sucht man nur nach einem Zwischenlager. Das soll vorne einen Eingang und hinten einen Ausgang haben. Schon Bertolt Brecht forderte für jede Wohnung zwei Türen aus Gründen der Gerechtigkeit. Auch die Schweden wollen sich ein Hintertürchen offenhalten, für den Fall, dass jemand eine bessere Lösung findet. Zum Beispiel Wiederverwertung des Materials. Atomkraft soll bei uns aber nicht beherrscht, sondern verdrängt werde in einem ewigen Endlager, in einem totalen lock-in.
Etwas Bewegung scheint jedoch in die eingefrorenen Atomkerne zu kommen. Es wächst die Hoffnung, nur außerhalb Deutschlands versteht sich, dass man den Müll nicht für den Rest seines Lebens vergraben muss, sondern wieder verwerten kann. Nicht in Deutschland, wie gesagt, denn wir haben durch den Ausstieg aus der Kernenergie bewiesen, dass wir nicht Sklaven unseres Wissens und Könnens seien. Sagt der Philosoph Julian Nida-Rümelin.
In Sachen Covid 19 Pandemie sind wir den technischen Lösungen zwar schon sehr viel näher - dafür sind wir noch sehr weit von ihren Anwendungen entfernt. Auch hier scheint der Satz zu gelten, dass wir nicht Sklave unseres Könnens und Wissens sind. Technische Möglichkeiten der Bekämpfung sind da - hoch effiziente virentötende Luftreiniger, aber sie werden nicht genutzt. Stattdessen kehren wir zurück zur mittelalterlichen Technik der Isolierung, des Überwinterns durch Einigeln. Denn zuallererst geht der Kampf wieder gegen unseren Alltag und damit gegen uns selbst. Lieber isolieren wir uns, als das wir das Virus ruinieren. Testen, Impfen, Hygiene, Masken, Einschränken vieler Aktivitäten - aber das Virus verschonen wir. Wenn ich das richtig verstehe, sind die Mittel da, das Virus ernsthaft zu bekämpfen. Mit dem massiven Einsatz von UV-C-Lampen und Luftfiltergeräten in allen öffentlichen und privaten Räumen, Zügen, Bussen wären wir einen riesigen Schritt weiter - aber wir tun diesen Schritt nicht. Zuerst hieß es aus Ratlosigkeit. Es fehle modernen Gesellschaften Erfahrungen mit Epidemien. Man müsse da mit seinem Kampf ganz´ unten, ganz primitiv anfangen.
Nach einem Jahr Pandemie befinden wir uns immer noch auf der Anfangsstufe.
Ich vermute einen religiösen Hintergrund für die meisten schwer zu entziffernden gesellschaftlichen Phänomene. Nach fortschrittlichen Überzeugungen erklärt die Religion gar nichts, sondern ist selber restlos erklärt. Darum sind Buße, Fasten, Sack und Asche, Schicksalsgemeinschaft und kollektive Schuld nur leere Schoten, auch wenn sie seit einem Jahr unseren Alltag dominieren. Vieles riecht inzwischen wieder nach Volksgemeinschaft und Zwang. Niemandem ist es gestattet, aus dem Schuldzusammenhang auszusteigen. Auch wer doppelt geimpft ist, damit unbedenklich für andere geworden ist, der soll sich so verhalten, als wäre er es nicht. Haben als hätte man nicht, sagt Paulus im Blick auf das bevorstehende Ende der Welt. Wir scheinen mitten drin zu stehen und erlauben niemandem, vorzeitig auszusteigen. Denn dies sind Zeiten, in denen es nur Regeln gibt, aber keine Ausnahmen. Impfschmarotzer werden mit bis zu 25.000 Euro bestraft. Regeln werden durch Ausnahmen konstituiert. Das sagt die Logik. Bei uns herrscht aber nicht Logik, sondern Theologik.
Um das zu erklären, braucht es Beispiele. Ich nehme dazu das Beispiel des Propheten Jona und der Stadt Ninivé. 4 kurze Kapitel der hebräischen Bibel. Die Geschichte wurde immer wieder zu Deutungen für dien jeweilige Gegenwart herangezogen. Uwe Johnson, Albert Camus, Stefan Andres, Klaus Heinrich haben den Reichtum dieser Erzählung ans Licht gebracht. Gerade erweitert das Covid 19 Virus unser Verständnis um eine weitere Facette der Erzählung.
Der mich interessierende Kern ist dieser: Jona, durch Angst und Not von seinem Gott überzeugt, der Stadt Ninivé den angedrohten Untergang zu prophezeien, durchstreift die drei Tage große Stadt einenTage lang, um ihr den Untergang in 40 Tagen anzukündigen. Obgleich der Gott Jonas ein fremder Gott ist, findet der Prophet offene Ohren: Das Volk von Ninivé zuerst und dann auch der König erkennen, dass sie auf dem falschen Weg waren. Sie kehren um, fasten, kleiden sich in den Sack und setzen sich in die Asche. Sie beten und rufen zu dem fremden Gott, in der Hoffnung, er möge sie erhören.
Mit der Stadtgöttin Ischtar auf ihrer Seite, Göttin über Leben und Tod, hätten sie ihren Lebensstil auch verteidigen und den Propheten und seinen Gott bekämpfen können. Aber die ganze Stadt und alles, was darin war, erkannten die Autorität des fremden Gottes an, kehrten um und wurden gerettet. Dass Jona diese Wendung, die er schon befürchtet hatte, gar nicht gefiel, ist eine tiefsinnige Fortsetzung der Erzählung, von der ich jetzt absehen muss - wegen der Parallele, dass auch wir dem Virus wie einer verurteilenden Instanz unseres Lebens folgen und es nicht bekämpfen. Es ist, als wären auch wir dankbar für jemanden, der uns von unserem Lebensstil befreit. Zu großzügig lassen wir uns die Instrumente unserer bisherigen Lebensfreude aus der Hand nehmen. Das Fasten kommt uns gerade recht. Wieviele haben mir gestanden, dass der erste Lockdown für sie gerade zu eine Wohltat gewesen ist. Hamsterrad angehalten, Termine gestrichen, Freunde auf Distanz. Mir ging es so. Obgleich schon lange im Ruhestand, wurde er erst nun zum Segen. Friday for future gehorchen ging schon deshalb nicht, weil das unsere Kinder sind. Aber bei Covid geht es.
Das ist jetzt vorbei. Es ist nicht möglich umzukehren. Deutschland hat es schon einmal versucht und ist in eine üble Barbarei geraten.
Covid kann uns nicht vergeben noch uns von Schuld befreien. Ganz im Gegenteil. Es türmen sich vor unseren Augen enorme Schuldenberge auf, die uns wie Lawinen begraben werden.
Wir haben unsere religiöse Covid - Auszeit gehabt. Nun geht es zurück in unseren herausfordernden Alltag, Wahlen, Wirtschaft, Kampf um die Gesundheit. Dann bekommt endlich auch die Religion wieder ihren Platz jenseits von Ethik, Moral und Gerechtigkeit als Anbetung und Lobgesang.