Warum das House of One unbedingt gebaut werden muß und werden wird
Heute, am 27. Mai 2021, wurde der Grundstein für das House of One gelegt. Obgleich die Planung dazu schon viele Jahr zuvor begann, hatte ich nie Zweifel, dass es verwirklicht werden würde. Aus mehreren Gründen muss es gebaut werden.
Einmal gibt es ein großes symbolisches Bedürfnis nach der Einheit der Religionen, besonders der Religionen des Buches - Judentum, Christentum und Islam. Schon in anderen Ländern wurden ähnliche Projekte verfolgt (in der Schweiz zum Beispiel), aber nirgends mit einem so spektakulären Bau wie in Berlin. Der Entwurf des Büros Kuehn Malvezzi zu diesem heiligen Haus wird mit seinem 40 Meter hohen Turm zum zentralen Ereignis an der Leipziger Straße werden. Besonders in den industrialisierten Staaten Europas scheinen Religion und Modernität in heftigem Kampf zu liegen, bei dem der Verlierer schon feststeht: Die Religion. In anderen Erteilen ist das anders, in den USA zum Beispiel. Da erscheint das House of One wie eine Verstärkung der gemeinsamen Verteidigungslinie. Zur Zeit scheint dies wichtiger denn je.
Warum heißt das House of One eigentlich nicht Haus des Einen? Weil Deutsch nicht selbstverständlich die gemeinsame Sprache der drei Beteiligten Religionen ist? Wegen der erhofften Strahlkraft über die nationale Grenze hinaus? Oder weil das Unwahrscheinliche nach wie vor aus dem Engelsächsischen kommt?
Zum zweiten Grund, warum das House of One unbedingt gebaut wird. Berlin tut sich schwer mit seiner Innenstadt. Schwer, weil es keine gibt. Man sieht das an den regelmäßigen Forderungen der Fahrradlobby, die Innenstadt für den Autoverkehr zu sperren. Aber es gibt keine Innenstadt - nur Innenstädte, zwischen denen sich endlose Brachen ausdehnen, die Fahhradfahrer und Fußgänger nur mit Anstrengung überwinden lassen. Berlin hat keine Mitte. (Schon weil es damals aus Kölln und Berlin entstanden ist.) Was da war, hat unser letzter Krieg vernichtet. Die Teilung hat dann bewirkt, dass im Osten und Westen der Stadt eigene Mitten entstanden.
Der schnelle Aufbau nach dem Mauerfall war oft unüberlegt und blieb unvollendet. (Das beste Beispiel ist die Friedrichstraße als Straße der Ratlosigkeit). Auch das Stadtschloss wird nicht die Rolle einer tiefempfundenen Mitte übernehmen können. Dazu hat es zu wenig Würde und zu wenig Jugend.
Genau dies beides findet sich jedoch im zukünftigen House of One. Es entsteht am historisch richtigen, weil bedeutendsten Ort der Stadt. Drei oder fünf Kirchen - alles St. Petri Kirchen? - haben schon an dieser Stelle gestanden. Die erste Lateinschule der Stadt war hier. Hier legte man sich zur Ruhe. Über 3000 Gräber fand man bei Ausgrabungen auf dem Gelände, auf dem der Einheits-Bau der drei Religionen errichtet wird. Er besetzt nun die Mitte der Stadt Berlin und belebt so den Ursprungsmythos des Gemeinwesens. Den Boden der House of One bildet der Boden der früheren St. Petri, wenigstens in Teilen. Der Bau fußt tief in der Geschichte - aber als House of One blickt er zugleich weit in die Zukunft. Er unterstreicht den Charakter Berlins als der Stadt der Vereinigungen, Stadt der versöhnten Gegensätze. Die Religionen, die sich in anderen Gegenden der Welt blutig bekämpfen, bauen in Berlin an einem gemeinsamen Dach.
Darum sind so viele daran interessiert, den Bau fertig zu sehen: Er gibt Orientierung den Herangewehten und Einheit den Vielen. Der Bau wird helfen, die Stadt älter und jünger zu machen.
Ein echtes Startup.
Was aber wird in ihm geschehen können? Was werden die drei Religionen mit dem Haus anfangen? Alle drei werden ihre eigenen Beträume bekommen. Das macht noch kein Kopfzerbrechen. Doch was geschieht mit der Mitte, dem hohen Raum, der die drei Sphären miteinander verbindet oder auf Abstand hält? Hier müssen die eigentlichen Beschlüsse gefällt werden. Zusammen mit der Künstlerin Ulrike Flaig war ich, wohl 5 oder 6 Jahre zurück, auf einer Tagung in Marburg. Auf ihr stellten verschiedene Initiativen ihre Gemeinschaftsprojekte vor. Darunter war auch das House of One. Die Präsentation des Modells machte deutlich, daß die große Halle, der hohe, alle drei verbindende Raum, das Zentrum des Gebäudes, leer bleiben sollte. Man verstand: Niemand sollte dominieren, keine religiöse Übergriffigkeit. Es sollte ein freier Raum bleiben, in dem Freiheit zum Sich-Begegnen und nicht Begegnen bleiben sollte.
Ulrike Flaig trug dagegen ihr Projekt der besetzten Mitte vor. Ein großer Altarschrein sollte die Mitte bilden. In ihm hätten die drei Religionen eigenen Raum, ihre Dinge unterzubringen, die für eine Andacht und ein Gebet oder einen Gottesdienst benötigt werden. Der Raum wäre als der zentrale Ort, an dem Vollzug und Teilhabe der drei Religionen geschehen sollte. Keine leere, sondern eine vibrierende Mitte. Der Entwurf fand keine Zustimmung, weil er vielleicht das Ende eines Prozesses vorwegnahm, der noch gar nicht begonnen hatte. Aber seine Zeit wird noch kommen und dann nicht vergessen sein.
Heute, wo der Hass gegen das Judentum und Israel wieder historische Dimensionen anzunehmen droht, bekommt das House des Einen ein ganz besonderes Gewicht. Nicht nur im Blick auf den Kampf der radikalen Palästinenser gegen Israel. Sondern auch im Blick des Hasses aus unserer eigenen Mitte gegen Juden. Ein befreundeter Journalist, der im Rundfunk versucht hatte, das Verständnis für die Lage Israels zu erweitern, berichtete von den vielen Beschimpfungen, die er deswegen erhalten habe. Die schlimmsten aber waren die von den christlichen Philopalästinensern, sagte er.
Besonders darum muß das Haus entstehen. Damit Christen und Moslems von Eifersucht befreite Erfahrungen mit der gemeinsamen jüdischen Wurzel machen, die uns trägt.
Der Eine möge dieses Haus segnen und die dort ein- und ausgehen.