Kain ist wieder im Kommen. Darüber kann kein Zweifel bestehen. Das ist eine schlechte Nachricht für die, die ihr Gespräch mit dem Hinweis beginnen, ihr Gegegnüber sei ja nun schon alt. Eine Auseinandersetzung mit ihm werde durch sein baldiges Ableben überfällig. Kain ist schon sehr lange Tod. Die Auseinandersetzungen mit ihm aber noch längst nicht erledigt. Andrea Camilleri, Vater des Comissario Montalbano, hatte eine Abend in den Terme di Caracalla in Rom angekündigt unter dem Titel: Autodifesa di Caino. Selbstverteidigung Kains. Leider starb er, bevor er vor sein Publikum treten konnte. Sein italienischer Verlag Sellerio editore, Palermo hat den Vortrag Ende 2019 herausgebracht. Nun warten wir auf den deutschsprachigen Verlag, der die Selbstverteidigung Kains den deutschen Lesern zugänglich gemacht. Tatsächlich werden wir ihn wohl als erste übersetzen und unseren Zuhörern auf Deutsch präsentieren.
In einem Roman mit dem Titel Kains Opfer kommt der Autor immer wieder auf die Frage zurück, warum Kain denn seinen Bruder Abel erschlagen hat. - In der über 9 Jahren sich erstreckenden Beschäftigung mit dem Thema sind wir schon vielen Antworten begegnet: Er tötete aus Eifersucht, oder weil er Abels frömmelnde Gebete nicht mehr hören konnte, Neid spielte eine große Rolle, als Sieg des Sesshaften über den Hirten. Einer bekannte sich mit dem Titel Der Tod meines Bruders Abel als dessen Mörder, ein anderer meinte, Abel sei der Mörder Kains gewesen. - In dem zuerst angeführten Roman beschäftigt sich der Autor Alfred Bodenheimer mit dem Opfer und fragt, warum denn Kains Opfer nicht angenommen worden sei. Kain hätte durchaus keine min derwertigen Früchte des Feldes geopfert, meinte der Autor. Kain hätte damit a ber seine Sehnsucht zurück ins Paradies gezeigt. Indem Gott sein Opfer nicht annahm, hätte er deutlich gemachtt: es gibt kein zurück mwhr ins Paradies. Abel hingegen hätte mit seinem Tieropfer zu erkennen gegeben, da im Paradies nicht getötet wurde: Ich bin einverstanden mit der Vertreibung. Ihn hat Gott angenommen. Kain hätte in seiner Wut am liebsten Gott erschlagen. Aber das konnte er nicht. So hat er ersatzweise Abel erschlagen.
Das Fontane-Jahr ist mit seinen Erinnerungen nicht immer glücklich gewesen. Vor kurzem gab es die Verfilmung des Fontane-Romans "Unterm Birnbaum". Schon in der Schule wurde er als Kriminalroman verramscht. Das ist ihm als Ferrnsehfilm schon wieder passiert. So bleibt unentdeckt, wie der schöne Birnbaum die Rolle desparadiesischen Apfelbaum übernehmen muss. Denn unter ihm liegt der Sündenfall des ganzen Dorfes begraben. Einen Franzosen hatte man erschlagen und dann dort verscharrt. Seine Mörder bleiben in dem Roman namenlos, heißen nicht Kain. Während der Mörder eines duirchreisenden Polen dann jedoch namentlich sehr wohl bekannt ist. Sein Name ist allerdings Abel. Der Apfelbaum heißt Birnenbaum, Kain heißt Abel. Biblische Geschichten muss man offenbar lernen, neu zu erzählen
Wir Deutsche, die wir uns als Kainsvolk ausgewiesen haben, die wir auch alles bereut haben, und versucht haben alles nachzuweisen, was wir getan haben, haben nur die eine Frage nicht beantworten können: Warum wir unseren Bruder erschlagen haben. Warum haben wir es getan? darüber werden wohl noch manche Alte streben müssen. Ihnen muss man die Frage dann nicht mehr beantworten. Aber den Jungen wird man immer wieder beibringen müssen, diese Frage zu stellen, um sie zu beantworten. Und sei es, über die langen Umwege der Literatur.
Als nächstes werden wir uns den Verwandlungen von Abel zu Kain zuwenden, wie sie vor unseren Augen sich vollzogen hat. Vom Abel ähnlichen Serbien muss Sterbien zu Beginn des ersten Weltkriegs bis zur Verwandlung in das serbische Kainsvolk, dessen Sog sich nur wenige entziehen wollten. ZU den Wenigen zählt Peter Handke, dessen Winterliche Reise wir als erstes befragen wollen.
Montag, 3. Februar 20 Uhr, Haus am Lützow Platz, Lützowplatz 9, 10785 Berlin
Peter Handke, Winterliche Reise
Montag, 2. März 20 Uhr,
Theodor Fontane, Unterm Birnbaum
Montag, 6. April, 20 Uhr,
Andrea Camilleri - Autodifesa di Caino - Selbstverteidigung des Kain (in deutscher Sprache)
ist und wird alles verschoben.
Andrea Camilleri - Selbstverteidigung Kains
Vorleser: Roland Schäfer, Einführung: Hartmut Diekmann, Eintritt frei, Spenden willkommen