Denn siehe, der Herr, HERR Zebaoth wird Jerusalem und Juda nehmen allerlei Vorrat, allen Vorrat des Brots und allen Vorrat des Wassers, Starke und Kriegsleute, Richter, Propheten, Wahrsager und Älteste, Hauptleute über fünfzig und vornehme Leute, Räte und weise Werkleute und kluge Redner.
Und ich will ihnen Jünglinge zu Fürsten geben, und Kindische sollen über sie herrschen. Und das Volk wird Schinderei treiben, einer an dem andern und ein jeglicher an seinem Nächsten; und der Jüngere wird stolz sein gegen den Alten und der geringe Mann wider den geehrten.
(Prophet Jesaja 3, 1-5)
Ein Großer Seher war der Prophet Jesaja. Selig, wer in seinen Worten Trost findet. Aber - wer will das noch. Wenn, dann n ehmen wir uns unsere Vorräte selber fort. Fragt sich, wie lange die Zustimmung hält, bis das folgende Lied gesungen wird:
Haben wir beschlossen nunmehr schlechtes Leben mehr zu fürchten als den Tod.
(Bertolt Brecht, Lied der Kommunarden)
Noch singt kaum jemand dieses Lied. Dabei gehen manche von uns durchaus einem schlechten Leben entgegen. Nicht nur diejenigen, die vom Coronavirus angefallen wurde und nun gar nicht mehr aus dem Haus sollen, oder schlimmer noch, die in ein Krankenhaus eingewiesen wurde. Und die ihr Elend, an eine Beatmungsmaschine angeschlossen worden zu sein, preisen müssen, weil später Erkrankte nicht sicher sein können, noch eine zu bekommen. Das elende Leben spielt sich für Gesunde hauptsächlich zu Hause ab. Weil ihre Wohnungen nicht gedacht waren, dass man in ihnen Tage und Nächte verbringt. Und dies womöglich Wochen und Monate lang. Corona, dieses neuentdeckte Mittel gegen Einsamkeit, kann einen sehr schnell krank machen, wenn es uns das Alleinsein verbietet. Dazu kommt Arbeitslosigkeit ohne Eckkneipe und ohne gewerkschaftliche Solidarität.
Wieviel Krankheit ist uns unsere Gesundheit wert?
Wieviel Zivilisation tragen wir gesichert in uns, um den schrittweisen Abbau des zivilisierten Lebens außerhalb kompensieren zu können? Welche Völker tragen Ordnung, welche Chaos in sich?
Kommen wir jetzt klar, ohne die Frage nach dem Schuldigen stellen zu müssen? Oder hilft uns der Gedanke an Schicksal besser? Oder ist es einfach nur ein weltumspannendes Unglück?
Ist Gottes Tod durch sein Mitleiden eingetreten, wie Nietzsche meinte, und ist es gerade dies Mitlied, das uns jetzt fehlt?
Wie macht es Italien, unsere schöne Schwester und kindischer Bruder im Süden?
Italien ist in ein großes Elend gestürzt. Alle, die Italien lieben, macht dies sehr betroffen. Doch es fehlt auch nicht der Nebengedanke: gestürzt nicht ganz ohne eigene Schuld. Schlechtes Gesundheitssystem, schwach ausgeprägter Sinn für Vorsorge. Italienliebhaber wussten schon immer: Wenn du gesund bist und Geld hast ist Italien ein wunderschönes Land. Es findet sich allerdings kaum ein Land, für das das Gegenteil zutrifft: Arm und krank und trotzdem super.
Darum ma che ich mal weiter mit den Argumenten: Schlechtes Gesundheitssystem und mangelhafte Vorsorge. Zentrale Daten zur Zeit
Das gilt ganz offensichtlich auch für die USA. Mit Blick auf die Zahl der Infizierten haben die USA China gerade den Rang abgelaufen.
Überraschend ist nun: Bei Erkrankungen wird wieder streng national gedacht. Eure vielen Toten - unsere wenigen Toten. Die Zahl der Infizierten EU-weit soll bei 300.000 liegen. Aber da die Grenzen geschlossen werden, zählt man nur im eigenen Haus.
Italien ist das am stärksten getroffene Land mit den zur Zeit strengsten Maßnahmen. So dass die Zahl der Infektionen langsam zurückgeht.
Das ist die anderer Seite Italiens. Seit vielen Jahren heißt es, und das diesmal im positiven Sinne: Italien ist das Laboratorium Europas. Die Italiener machen vor, was die Europäer dann nachmachen müssen. Im Guten wie im Bösen. Sie sind unsere Vortuner. Faschismus, Eurokommunismus, Medienzaren an die Macht, Familienglieder ersetzen das Pflegpersonal auch in den Krankenhäusern - alles Modelle für die Zukunft Europas und für den Rest der Welt. Italienisches ist immens erfolgreich: Pizza, der Espresso als Zeichen des flüchtigen Alltags. Zivilisiertheit bei größter körperlicher Nähe in einer überfüllten Bar. Vieles aus Italien wirkt ansteckend.
Aber es gibt fundamentale Unterschiede. Besonders zwischen Italien als einem Teil Südeuropas und Mittel- und Nordeuropa ( für mich zugleich zwischen katholisch und protestantisch, aber das versteht sich nicht von selbst): Italien, wie überhaupt der Süden Europas, schwächelt bei der Prävention. Nordeuropa schwächelt wenn das Unglück passiert ist. Wie oft fällt in Italien ein Kind in einen ungesicherten Brunnenschacht. In den Bergen fehlen Geländer an den steilabstürztenden Hängen. Straßenarbeiter arbeiten mitten im fließenden Verkehr. Vier Personen auf einer Vespa - man schützt die Menschen nicht vor der Gefahr. Es geht darum, sie zu beherrschen.
Das Funktionieren dces Kaputten als neapolitanische Technik (Alfred Sohn-Rethel) ist dafür ein gutes Beispiel, das in Mitteleuropa keine Schule machen konnte.
Aber wenn das Unglück dann tatsächlich geschehen ist, läuft ein Tsunami an Solidarität und menschlicher Wärme durch das Land. Als gelte es ein traurig-schönes Fest zu feiern.
Ich nenne hier auch den Beifall, mit dem einem Verstorbenen in dem Augenblick die letzte Ehre erwiesen wird,in dem man den Sarg aus der Kirche trägt. Dann erscheint das Leben wie ein großartiges Theater, aus dem sich der Schauspieler zum letzten Mal verabschiedet. Sogar der Tod ist noch ein traurig-schönes Fest.
In Mitteleuropa werden hingegen alle Brunnen sorgfältig mit Deckeln verschraubt, unsichere Wege durchs Gebirge gesperrt, Straßenarbeiter sind von rot-weißen Barrieren geschützt. Geschieht dann trotzdem einmal ein Unglück, ist die wichtigste Aufgabe, den Schuldigen zu finden. Stirbt einer von uns, senken wir die Köpfe und drücken dem Trauernden verstumm die Hand. Das Unglück macht uns hilflos und sprachlos.
Jetzt musizieren die Italiener von ihren Balkonen. Kommt Unglück über sie, scheinen sie in ihrem Element. Das macht sie für uns verdächtig.
In Deutschland schrieb man folgerichtig, die Italiener musizierten gegen ihre Angst. Dem deutschen Leser leuchtet das sofort ein, denn er lebt mit der Angst auf vertrautem Fuß. So vertraut, dass man von der "german angst" spricht.
German Angst
Gewöhnlich meint man damit eine gewisse Zögerlichkeit oder Entscheidungsschwäche. Aber jetzt, in Zeiten von covid 19 und Quarantäne zeichnet sich eine andere Dimension der Angst ab. Angst vorm Nichtstun.
Im Mittelalter war die acedia, Angst aus Untätigkeit, eine den Mönchen sehr vertraute Krankheit der Mittagszeit. Von 10 bis 14 Uhr lähmte sie das Leben der Mönche und brachte Melancholie und das Gefühl über sie, nutzlos zu sein. Mit der aufsteigenden Sonne am Morgen kam dieses Gefühl über sie.
Die Reformation hat der Faulheit der Mönche ein Ende bereitet.
Durch Arbeit.Die Annäherung der Berufung durch Gott an den Beruf, in dem jemand arbeitet, war die Entdeckung, mit der der Protestantismus die Traurigkeit vertrieb. Sein Beruf hinderte ihn fortan sich Gedanken zu machen, ob die Welt gut oder böse sei, ob man ihr mit Vertrauen oder mit Mißtrauen begegnen müsse. Er nahm seine Werkzeuge in die Hand und machte sich an die Eroberung der Welt - Stück für Stück.
Das ging solange gut, bis die Drohung der Arbeitslosigkeit am Horizont erschien. Und mit der Arbeitslosigkeit der Abgrund der Angst. Unnütz zu sein in einer dann sinnlosen Welt
Doch zu oft gelang es, die Gewissheit zurückzugewinnen, dass Arbeit frei mache, wenn auch zu einem ungeheuerlichen Preis für andere.
Nach dem Krieg stellte sich die Aufgabe des Wiederaufbaus und rettete so wiederum vor den Fragen nach dem Guten und nach dem Bösen in der Welt. In der Welt habt ihr Angst, aber siehe, durch Arbeit konntet ihr sie überwinden.
Nun treten wir erneut in eine Phase ein, in der die Angst virulent werden kann. Corona stellt uns unmissverständlich vor die Frage: ist die Welt eine von guten oder von bösen Mächten getragene Ordnung? Wenn uns nun der unsichtbare Feind in große Angst versetzen will - womit können wir diesmal die Angst besiegen?
Durch Arbeiten natürlich, würden wir sagen hören, aber das gerade ist nur den wenigen Privilegierten vorbehalten. Nur wenige dürfen kämpfen uind als Helden siegen oder unterliegen. Wir anderen sind der acebia ausgesetzt: der Untätigkeit und aufkommenden Melancholie, weil wirf jetzt zur Nutztlosigkeit verurteilt sind..
In der kommenden Zeit des Nichtstun wird sich vieles wieder bei uns melden, das wir verdrängt und nicht gerufen haben. Es ist wie ein zu langer Urlaub. Dem werden wir nicht gewachsen sein. Denn der Grund der German Angst ist nicht Zögerlichkeit, sondern nicht arbeiten zu können und so drängenden Fragen schutzlos ausgeliefert zu sein.
Ich glaube, das Beste wird sein: Zurück in die Fabriken! Nicht nur wegen der äußeren, sondern besonders wegen der inneren Wirtschaft.
Eine Abschweifung in das doppelte Zentrum
Ein Nachdenklicher hat gemeint, das Virus sei eine mahnende Antwort auf die Globalisierung und habe eine neuerliche Nationalisierung zur Folge. Das stimmt insofern, als die Pandemie, trotz ihres globalen Charakters, die Vorteile oder Nachteile des jeweiligen nationalen Gesunheitssystem heraushebt. Je nach Zugehörigkeit geht es einem besser oder schlechter bis ganz schlecht. Grenzen werden wieder interessant, zwischen den Staaten, zwischen den Infizierten. Die USA überholen jetzt China. Warum sterben in Deutschland nicht genauso viele wie in Italien und so weiter.
Es bleiben nicht nur die Einwohner in ihren Hütten oder Palästen, auch die Antwortensuchenden bleiben ganz bei sich selber: Die Pandemie ist mordsgefährlich., wenn auch nicht gleichmäßig für alle Bürger. Zwar gelten die Antworten immer nur nationalbegrenzt, dafür aber für alle gleicherweise. Diffenziert wird nicht. Unter strenger Wahrung von Gerechtigkeit, soll es keine Privilegien geben, auch wenn das Virus welche verteilt. (Priveligiert die Jungen, benachteiligt die Alten, schon wieder einmal, In den Heimen rafft das Virus die Alten gezielt dahin, weil diese nur wie alle anderen auch verteidigt werden) Ein Gießen mit der Kanne, aber mit sehr wenig Wasser.
Auch alle Maßnahmen, die ergriffen werden, kommen nur unter der Wirkung in Betracht, die man von ihnen erwartet und nie auch unzter den Wirkungen, die man nicht erwartet, die sie aber gtrotzdem zeigen. Aufhebung der Versammlungsfreiheit ist rein medizinisch, ohne jeden politischen Aspekt. Schließung der Universitäten ist ausschließlich gegen Ansteckung erlassen, die Unterdrückung anderer Viren ist nicht beabsichtigt. Die debattenlosen Entscheidungen des Parlaments sind allein der drängenden Lage geschuldet.
Die Lage ist so dramatisch, dass nur die beabsichtigten Wirkungen einer Maßnahme zählen, nicht aber ihre Nebenwirkungen, so fatal sie sich auch entwickeln mögen. So will es die Politik.
Bei der Frage nach der Ursache der Pandemie ist die Politik jedoch immer weniger erfolgreich. Und das lässt hoffen - trotz beachtlicher Fehlantworten.
"dietrologia" ist ein italienischer Ausdruck, für Fragen nach dem, was dahinter steckt. Für den Metropolit Mark Arndt der russisch-orthodoxen Kirche in Deutschland ist der Coronavirus die „gerechte Strafe Gottes für Sterbehilfe, Transsexualität, Abtreibungen und Leihmutterschaft". Das ist zum Beispiel Dietrologie, bei der aus Gründen, die dem Metropoliten selber teurer sind als vermutlich Gott selbst, Gott dahintersteckt. Solche Aussagen sind dem Zeitgenossen natürlich peinlich, weil Gott nicht nur auf niedrigstem Niveau in Anspruch genommen wird, sondern weil er überhaupt in Anspruch genommen wird..
Als Zeitgenossen halten wir uns dagegen streng an die Wissenschaft und deren Ursachenforschung. Die Wissenschaft weiß zwar, warum es vornehmlich die Alten trifft, will aber nicht sagen, warum nach den alten weißen Männern, Oma, der alten Umweltsau, dies nun schon wieder so ist. Die Wissenschaft würde gern den Alten aus dieser Ecke helfen, hat aber noch nicht die Mittel gefunden. So behandelt sie die Alten genauso wie die Jungen, als ob es da gar keine Unterschiede gäbe. Für den Wissenschaftsgläubigen ist das hoffentlich ebenso peinlich.
Trotzdem sehen wir eine solch entschlossene Verteidigung der Wissenschaft an sich, dass dies die Wissenschaften eigentlich das Fürchten lehren sollte. Und ihren Protest hervorrufen. Kann nicht deutlicher gesagt werden, dass Wissenschaft Streit um die Wahrheit bedeutet. Es bleibt jedoch still, denn wer widerspricht, würde gleich zum Wissenschaftsleugner gestempelt. Damit bewegen wir uns wieder ganz in der Nähe der Religion und ihrer Gottesleugner. So entstand ja auch die schöne Prägung "Klimaleugner", der der Wissenschaftsleugner nur wenig nachstünde.
"Der Verstand schreibt der Natur ihre Gesetze vor" (I. Kant) und "Die Natur wird durch Gehorsam besiegt" (Fr. Bacon) Zwischen diesen Polen schwanken unsere Antworten.