Sehr geehrte Teilnehmer dieser christlichen Bildbetrachtung,
Fastnachtsnarren,
Erwartungsgemäß stellen sich bei dem Thema dem christlichen Teil, soweit er evangelisch ist, große Hürden in den Weg. Irgendwie unüberwindbare Hindernisse.
Als evangelischer Pfarrer und Christ habe ich, wie die meistern meiner Mitgläubigen keinen Zugang zur Fastnacht oder Karneval.
Woran das liegt?
Als Protestanten haben wir kein positives Verhältnis zum religiösen Heidentum. Das wiederum liegt daran, dass wir als Protestanten in den auf die Reformation folgenden Jahrhunderten nie Mission getrieben haben.
Nur Mission an der katholischen Kirche, also getauftes Heidentum.
Im vorigen Jahrhundert stritten sich Paul Tillich und Dietrich Bonhoeffer über den religiösen Charakter der Welt. Bonhoeffer meinte über Tillich zu triumphieren als er bestimmte: Tillich versuchte die Welt, religiös zu interpretieren. Aber die Welt wollte nicht religiös sein, warf ihn aus dem Sattel und ritt allein weiter. Religionsloses Christentum war die erfolgreiche Tonlage auch nach dem 2. Weltkrieg.
Aus Mangel an Religiosität haben wir Protestanten keinen Bezug zum Karneval gewonnen.
Zum Fasten ja, aber nicht zum Karneval.
Eigentlich idiotisch.
Ab er das ist nicht der einzige Mangel, der uns hindert.
Der zweite ist der Mangel an Strenge. Karneval wird gemeinhin mit dem Moment des über die Strengeschlagens assoziiert. Viel Knechtschaft muss der Katholik übers Jahr erdulden. Aber wenn die tollen Tage kommen, dann kann er die Sau raus lassen. Natürlich wollte die katholische Kirche auch immer, dass die Sau drinbliebe. Die ist aber stärker. Sie hat etwas von einer Urgewalt, vor der man sich wohl fürchten kann. Die Kirche hatte früher auch mal ein 40 tägiges Gebet ausgerufen, das sollte von Rosenmontagmorgen um 8 in der Früh bis Fastnachtsdienstag um Mitternacht gehen. Das wär4e das Ende der tollen Tage gewesen
Hat aber nicht funktioniert.
So hat sie den Karneval zugelassen, hat ihn aber getauft. Goldoni schreibt, dass man im römischen Karneval nur 3 Stunden pro Tag Masken tragen durfte. Anordnung der Geistlichkeit. Kontrolliertes über die Strenge schlagen.
Unsere evangelische Kirche hat aber nichts Strenges. Und wir auch nicht, wenigstens nichts, worauf wir unbedingt mit Ausgelassenheit antworten müssten
Wir gleichen jenen ersten Deutschen, denen Heinrich Heine bei seiner Rückkehr aus Frankreich in Aachen begegnete:
Sie stelzen noch immer so steif herum,
So kerzengerade geschniegelt,
Als hätten sie verschluckt den Stock
Womit man sie einst geprügelt
(Wintermärchen, Aachen)
Über die Strenge schlagen liegt da einfach nicht in der Luft.
Aller Stock ist innerlich
Das gilt für Berlin auf ganz andere Art aber mit gleichem Ergebnis. Die Stadt ist Stolz darauf, dass hier immer und alles möglich ist, volle Pulle Leben, so dass im Grunde 365 Tage im Jahr Karneval in Berlin ist. Das wird dann der Grund sein, warum in Berlin an Karneval nichts los ist.
Es fehlt die Strenge,, die man närrischerweise übertreten müsste.
Ich hätte da schon Vorschläge für einen neuen Karneval
Nur Plastikgeschirr
Mehr Dieselfahren
Massenhafte kulturelle Aneignung
Viel häufiger Neger sagen.
Aber was wäre das dann für ein Karneval? Grober Unfug, nichts anderes. Weil es nicht reicht, über die Strenge schlagen schon für Karneval zu halten.
Es liegt im Grunde daran, dass wir nicht römisch katholisch sind. Köln, Düsseldorf, Mainz, Venedig, Rom, Viareggio.
Überall da , wo früher die Römer waren, fällt es den Menschen offensichtlich leicht, Karneval zu feiern.
Vera Cruz, Rio, Sao Paolo, Salvador - die und viele andere wissen damit etwas anzufangen.
Schauen Sie dagegen auf die Fastnachtsnarren in Amsterdam. Sind die fröhlich, sind die ausgelassen? Beide nicht, weder die maskierten, noch die anderen. Auch wenn sie mit ihren Mühlradkragen durchaus wie Maskierte erscheinen.
Wie kommts?
Wir sind im Jahr 1635. Mitten im dreißigjährigen Krieg und schon mehr am Ende des achtzig jährigen Krieges. Die sieben rebellischen Provinzen der Niederlande haben die Spanier erfolgreich aus Holland vertrieben. Amsterdam hielt auch da noch Philipp dem II. die Treue. Doch als die sieben Provinzen Amsterdam mit Sanktionen überzogen, indem sie dessen Hafen blockierten, gab Amsterdam auf und wurde calvinistisch.
Das war nicht lustig und nicht nur eine Befreiung.
Der katholischen Kirche wurde gleich untersagt, Messe zu halten. Zuvor hatten die Calvinisten schon 19 Priester und Laien im Städtchen Gorkum zu Märtyrern gemacht, weil diese sich weigerten, den Primat des Papstes und die Realpräsenz Christi im Abendmahl zu leugnen. Sie wurden alle gehängt.
Unter den Calvinisten war es auch nicht lustig.
Das schlägt sich auch in Duysters Gemälde nieder. Weder sind die Honoratioren amüsiert, noch die Musikantentruppe ausgelassen. Der Protestantismus steckt ihnen schon in den Knochen.
Aber sie verkleiden sich. Die im Vordergrund aber auch die im Hintergrund rechts. Halskrause wie Mühlsteine, gewaltige Hüte. Aber sie sitzen bei trübsten Licht, im Gegensatz zu den Tänzen, denen eine gewaltige Kerze leuchtet, die dazu wie ein Schießgewehr aussieht.
Erstaunlich, wie klar man die Beine auseinanderhalten kann. Nur zu welcher Person sie oben gehören, die Beantwortung dieser Frage wird dem Betrachter sehr schwer gemacht.
Die Fastnachtsnarren erscheinen wie eine einzige große Maskerade, die Personen fließen in einander.
Fastnachtsnarren
Was ist der Schwerpunkt
Das Fasten
Oder die Narretei.
Vom Bild her wüßte ich keinen Schwerpunkt zu setzen
Ich muß wohl einfach entscheiden, ob ich jetzt über das Fasten der Fastnachtsnarren handeln soll, oder über die Verkleidung.
Fasten ist interessant aber auch langweilig. In unserem Verständnis ist das Fasten eine Strafe, da es unmittelbar nach den tollen Tagen ausgerufen wird. Die Strafe für das wüste Leben.
Es ist allerdings sehr interessant, dass im jüdischen Purimfest, das ebenso ausgelassen und mit Verkleidungen gefeiert wird, vor dem Fest gefastet wird. Sie hauen nämlich nicht auf die Pauke, sondern feiern ihre Rettung vor der Vernichtung.
Gestern im Gottesdienst des Aschermittwoch der Künstler las Bischof Stäblein die Stelle über das Fasten aus der Bergpredigt Jesu.
Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer sehen wie die Heuchler; denn sie verstellen ihr Angesicht, auf dass sie vor den Leuten etwas scheinen mit ihrem Fasten. Wahrlich ich sage euch: sie haben ihren Lohn dahin.
Wenn du aber fastest, so salbe dein Haupt und wasche dein Angesicht, auf dass du nicht scheinest vor den Leuten mit deinem Fasten, sondern vor deinem Vater, welcher im Verborgenen ist. (Matthäus 6, 16-18)
Jesus spielt hier ein mehrfaches Spiel mit der Maskierung beim Fasten: Da ist einmal der heuchelnd Fastende . Er legt sein Gesicht in graue Falten, um den anderen zu demonstrieren, dass er unbeirrt die Gebote erfüllt, wie sichtbar schwer es ihm auch fällt. Er maskiert sich als Leidender.
Ihm gegenüber rät Jesu während des Fasten gerade nicht die Spuren des Fastens überdeutlich im Gesicht zu tragen, auch wenn es hart ist. Er soll sich statt dessen das Haupt salben und das Gesicht waschen , damit er auch dann frisch aussieht, wenn er es nicht mehr ist.
Auch einer Maskerade
Und Gott ist im Verborgenen, trägt gleichsam eine Verkleidung, die ihn unkenntlich macht. Der Prophet Elia erfährt, dass er nicht im Wind, nicht im Feuer und nicht im Erdbeben war. Gottes Kleid war in einem stillen sanften Sausen. Gott das Geheimnis der Welt
Gott, das wird schon aus diesen wenigen Hinweisen deutlich, liebt den Karneval. Der brennende Dornbusch ist auch so ein Kleid, in dem Gott sich zeigt, das er aber nicht ist.
Die höchste Verkleidung Gottes ist für uns ist aber seine Menschwerdung in seinem Sohn. Er ist Mensch geworden. Er der Herr, nahm Knechtsgestalt an. Und behielt sie. Auch als es bitter Ernst wurde, warf er das Kostüm Mensch nicht einfach weg, sondern behielt es, so dass er sogar daran und darin starb. Er nahm die Verkleidung ernster als alle anderen Karnevalisten. Gottes Übergang zum Menschen war in ihm vollkommen. Darum konnte Paulus von der Wirkung der Menschwerdung sagen: Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Knecht noch Freier, hier ist nicht Mann noch Weib. (Galater 34, 28)
Spüren Sie, was für ein erlösender und gefährlicher Karneval da hervortritt. Eine Art über jede Strenge zu schlagen, tritt da hervor.
Viel älter als der katholisch induzierte Karnerval geht er auf das heidnische Fest der Saturnalien zurück, das am 17. Dezember in Rom gefeiert wurde. Ab 497 vor Christus. Die 4Saaten verhießen neues Leben. Die Menschen verkleideten sich, schlüpften in die Rollen der anderen, keine gesellschaftliche Position war vor einer Übernahme sicher. Horaz nannte das in einer seiner Oden: Dulce est desipere loco – Süß ist es zuweilen närrisch zu sein.
Hier zeichnet sich bereits ab, was für eine Komödie Gott mit seinem Sohn und den Menschen daraus machen wird. Eine göttliche Komödie mit Christus: Du Narr, du Menschheitserretter. (H.Heine)