1. Sonntag nach dem Weihnachtsfest
Predigt über Johannes 12, 44-50
St. Matthäus Kirche
30.12. 2018 18 Uhr
Gnade sei.....
Predigttext Ev. Johannes 12, 44-50
Jesus aber rief: wer an mich glaubt, der glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat.
Und wer mich sieht, der sieht den, der mich gesandt hat,
Ich bin in die Welt gekommen als ein Licht, damit, wer an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe.
Und wer meine Worte hört und bewahrt sie nicht, den werde ich nicht richten; denn ich bin nicht gekommen, dass ich die Welt richte, sondern dass ich die Welt rette.
Wer mich verachtet und nimmt meine Worte nicht an, der hat schon seinen Richter: Das Wort, das ich geredet habe, das wird ihn richten am jüngsten Tage.
Denn ich habe nicht aus mir selbst geredet, sondern der Vater, der mich gesandt hat, der hat mir ein Gebot gegeben, was ich tun und reden soll.
Und ich weiß: sein Gebot ist das ewige Leben. Darum: was ich rede, das rede ich so, wie es mir der Vater gesagt hat.
Liebe Weihnachtsgemeinde,
Weihnachten hat uns erleuchtet.
Maler haben es gezeigt: Das Licht leuchtet aus der Krippe. Die Gesichter von Maria, Josef, der Tiere, alle empfangen das Licht von unten und werden so gleichsam in die Höhe gehoben.
Das Kind erleuchtet sie alle, macht sie leicht, hebt sie himmelwärts
Das Kind erleuchtet.
Dass sich niemand einfallen lässt zu sagen: das Kind beleuchtet alle.
Das Kind ist kein Beleuchter.
Das Kind ist kein Scheinwerfer.
Sein Licht ist beseelt, hebt die in die Höhe, die es trifft.
Es ist Quelle und Wirkung in eins.
So eine feine Unterscheidung mit gewaltiger Wirkung gilt auch im Johannesevangelium.
Leuchtet das Licht in der Finsternis.
oder in die Finsternis?
Ich bin eindeutig für leuchtet in die Finsternis. Es strahlt nicht nur so vor sich hin, sondern hat ein erkennbares Ziel: die Finsternis selbst. Das Licht macht der Finsternis zu schaffen, die Finsternis zeigt Wirkung.
Weil?
Psalm 139
Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein, so wäre auch Finsternis nicht bei Dir, Gott, und die Nacht leuchtete wie der Tag, Finsternis leuchtete wie das Licht.
Weil Gott Licht ist, weil vor Gott selbst Finsternis Licht werden muss.
Und Tod muss Leben werden. Vor Gott muss selbst der Tod zum Leben werden.
Wir leben ob wir gleich stürben.
Das ist das Licht von Weihnachten
Der Weihnachtsbaum , den wir so gerne haben, drückt das Lebendige dieses Lichtes nur unvollkommen aus. Das flackernde Licht der Kerzen vor dem dunklen Tannengrünhintergrund. Ein Notbehelf, aber es gibt uns eine Ahnung.
Mit elektrischen Kerzen ginge es eigentlich gar nicht. Darum bin ich über den Baum in St. Matthäus mit seinen lebendigen Lichtern sehr glücklich. Trotzdem bleibt Weihnachtsbaum ein Notbehelf für die Weihnachtsbotschaft
Am Schreibtisch habe ich mich gefragt: Wie ist es eigentlich mit dem Altarbild von Jorinde Voigt? Meiner unzuverlässigen Erinnerung nach ist die Bewegung auf den anderen Bildern hauptsächlich horizontal. Auf dem Altarbild hingegen vertikal, steigt nach oben.
Eine glückliche Wahl, es sei denn, auch dies ist horizontal gedacht - nur vertikal gehängt. Dann ist es auf jeden Fall glücklich gehängt.
So hat es aber etwas von den aufsteigenden Flammen und entfaltet eine schwere Leichtigkeit Richtung oben. Schwimmen im Meer des Himmels. Das Gold macht das Schwarze leicht.
Versenken Sie sich nach dem Gottesdienst hinein.
Jetzt lieber nicht.
Ich fürchte, dass Sie aus meiner Predigt nicht einfach aussteigen können, sie kämen sonst nicht wieder rein.
Sie ist kein Karussell , bei dem immer der weiße Elefant vorbeikommt.
Sie ist auch keine Weihnachtspyramide.
Apropos Weihnachtspyramide.
Eine wirklich geniale Erfindung. Großartig ist schon die Anspielung in ihrem Namen: Pyramide - das Totenhaus.
Ein äußerst schnellfüßiges Totenhaus, das Licht verwandelt es geradezu in ein Haus des Lebendigen.
Da haben wir es wieder
Leben durchs Licht, durch seine unbändige Kraft, in Bewegung zu versetzen - dich und mich.
Die Kerzen beleuchten die Pyramide nicht nur, sie erleuchten sie tatsächlich so, dass alles von ihr ergriffen wird.
Ich finde, die Weihnachtspyramide ist eine wirklich geniale Freundin.
Eine Christkrone.
In seinem Licht haben wir Teil am ewigen Leben.
Die einzige Botschaft, die zählt, sagt unser Predigttext.
Dass Christus uns das ewige Leben bringt.
Ich bin in die Welt gekommen als ein Licht, damit, wer an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe.
Ich bin in die Welt gekommen nicht zu richten, sondern dass ich die Welt rette.
Das, was ich Euch sage, sind nicht meine Worte, sondern ist Gottes Wort, Wort meines Vaters.
Alles, was der Sohn uns bringt, ist in einem einzigen Wort beschlossen: er bringt uns Gott. Denn im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort.
Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns. Nicht um zu richten, sondern um zu retten.
Wer an mich glaubt, der glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat.
Gott wird Mensch. Er wird Dein Bruder, er wird mein Bruder. Er ist mitten unter uns. Jederzeit können wir Gott in einem von uns begegnen. Gott hat die Rolle des Mitmenschen angenommen. Des Mitmenschen auch in der Gestalt des Fremden.
Viele von uns haben sich dadurch bewegen lassen, die Richtung auch umzukehren: Gott ist Mensch geworden und der Mensch ist Gott geworden .
Gott ist die Liebe ist, die Liebe ist Gott.
So dass Gott nicht nur in diesem einen Kind geboren wurde, sondern in einem jeden Kind Gott geboren wird.
So kommt göttliche Wärme in unseren Alltag,
die Fähigkeit zur Empathie,
wir entdecken Gott in der Rolle des Mitmenschen, des Anderen, des Fremden,
Unser religiöses Leben bewegt sich seit der Menschwerdung Gottes horizontal.
Von Du zu Du.
Was aber ist mit dem Himmel.
Ist er nun leer, seit dem Gott Mensch geworden ist.
Singen wir schon mit Heinrich Heine, dass wir den Himmel den Engeln und Spatzen überlassen, wen n auch mit einer anderen Begründung:
Gott ist ja Mensch geworden!
Jesus gibt uns keinen Anlass, so zu denken.
Im Himmel ist der Vater, der ihn, seinen Sohn, gesandt hat.
Zu ihm wird er zurückkehren.
Das heißt: Gott ist nicht vollkommen Mensch geworden.
Die Offenbarung Gottes im Menschen ist nicht vollkommen. Jesus sagt es selbst in unserem Text:Denn ich habe nicht aus mir selbst geredet, sondern der Vater, der mich gesandt hat, der hat mir ein Gebot gegeben, was ich tun und reden soll.(v49)
Die Offenbarung Gottes im Menschen Jesu ist geheimnisvoller als wir meinen möchten
Die lateinische Tradition hat recht. Sie hat das Wort Apokalyptein, offenbaren, übersetzt mit revelatio - Wiederverhüllung.
Bleibendes Geheimnis, Menschwerdung und Auferstehung gehören zusammen.
Weihnachten und Ostern und Himmelfahrt sind eines.
Es sind unsere leichtesten Feste.
Ostern, das Fest der Auferstehung.
Das Wort, das bei Gott ist und das Gott selber ist, hat unser Leben leicht gemacht, Es hat die Last des Todes von unserer Schulter genommen.
Leicht wie eine Feder ist unser Leben geworden.
Die Engel mit ihren flirrenden Flügeln,
auch wir werden von der Wärme die Kerzenlichts in die Höhe gehoben.
Der Herr erhebt meine Seele.
Von Gottes Kommen her gesehen gilt unbedingt: An Weihnachten verlieren wir an Gewicht. (auch wenn irgendwie das Gegenteil auch stimmt)
Wir laufen leichtfüßig wie die Weihnachtspyramide.
Alles ist zu Weihnachten in Bewegung:
Maria und Josef auf der Flucht
die Engel fliegen
Die Hirten eilen
die heiligen drei Könige brechen auf
Denn Gott ist gekommen und hat die Welt gerettet.
Christ, der Retter ist da.
Welt ging verloren.
Welt ging verloren - das ist ein Jubelruf.
Keine Wehklage.
Wir singen ist unverdrossen jeden Weihnachten, aber wer freut sich von uns darüber?
Das ist sehr fatal!
Welt ging verloren heißt doch so viel wie: Gott trägt die Last der Welt. Das Joch drückt nicht mehr. Die Welt um uns steigt leicht wie eine Feder empor.
Was ist eigentlich mit uns geschehen, dass wir uns nicht darüber freuen können, dass die Welt verloren gegangen ist? Welt verloren - Gott gewonnen.
Davon spricht ein altindisches Wort. Gefunden habe ich es in dem Buch von Margarete Susman "Hiob und das Schicksal des jüdischen Volkes", in dem sie von der schwersten Last schreibt, die das jüdische und das deutsche Volk auf unendlich gegensätzliche Weise niedergedrückt hat.
Sie beginnt aber gerade mit dem Leichtesten.
Das indische Wort lautet: "Einst wurde auf die eine Schale der großen Waage die Welt gelegt, auf die andere ein Lotosblatt, auf dem der Name Gottes geschrieben stand - und die Schale mit dem Lotosblatt sank."
Das wissen alle Religionen - wenn der Name Gottes, der der höchste Name unter allen Namen ist, in dem wir allein das Geheimnis der Welt auszudrücken vermögen, wenn dieser Name sein ganzes Gewicht in die Waagschale wirft, dann wird die Welt ganz leicht und licht.
Zu Weihnachten sehen wir den Namen Gottes wie auf ein Lotosblatt geschrieben in der Krippe liegen.
Das Gewicht der Krippe mit dem Kind darin sinkt nach unten, während die Welt ganz leicht wird und nach oben schnellt.
Welt ging verloren - Christ ward geboren
der Glaube an den Retter der Welt macht unser Leben leicht. Das einzige Joch, das Gott uns auferlegt, ist der Glaube, dass sein Name über allen Namen ist.
Jesus sagt es so: Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmet auf Euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.
Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.
So eine wunderbare Einladung
Was haben wir daraus gemacht
Warum haben wir die Botschaft von dem leichten Joch abgeworfen und uns so schwere Sache aufgeladen?
Wie ist es uns geschehen, dass der Name Gottes auf dem Lotosblatt irgendwann nicht mehr zu lesen war?
Wie konnte es geschehen, dass das unendliche Gewicht Gottes aus der Krippe verschwand?
So dass die Schale mit dem Namen Gottes so schrecklich leicht geworden ist.
So dass die Schale mit der Welt uns niederdrückt und alle Fröhlichkeit erstickt?
Was ist uns geschehen?
Zu Weihnachten merken wir es noch am deutlichsten.
Wenn wir Vom Himmel hoch , da komm ich her singen, wenn die Hirten zur Krippe eilen und wir O du fröhliche singen, und dein Heiland kommt in niederen Hüllen - dann wird es leicht in uns und wir erheben uns. Das Fürchtet Euch nicht der Engel macht uns froh.
Aber nur diesen Augenblick ist die Erinnerung wieder da an die Leichtigkeit der Welt. Doch bald, ohne das Gegengewicht Gottes, bekommen wir wieder die Last der Welt zu spüren.
So ein leichtes Joch hatten wir, und tragen nun so schwer an der Welt.
War es so, dass der Name Gottes verblasst war und wir fanden, irgendein Name müsse da geschrieben stehen und wir setzten unseren Namen an die leere Stelle?
Oder haben wir gemeint, seit Gott Mensch geworden sei, brauchen wir die andere Schale nicht mehr. Es sei jetzt alles nur noch irdisch?
Wie es auch war: es schoß die Schale mit dem Blatt und unserem Namen aber hui in die Höhe und die mit der Welt sauste hernieder und drückte uns zu Boden.
Da sind wir immer noch.
Und nun? Am Beispiel der Waage
Wir müssen versuchen, unserem Namen auf dem Lotosblatt größeres Gewicht zu geben. Größer als das Gewicht der Welt.
Darum heißt es jetzt: unsere Aufgabe sei es,
die Welt zu retten,
die Schöpfung zu bewahren, damit sie nicht zugrunde geht,
die Klimakiller zu töten.
Alles im Namen des Menschen, denn unser Name steht ja nun auf dem Lotosblatt.
Nur wenn wir jetzt in unseren Anstrengungen nicht nachlassen, wird die Schale wieder steigen.
Davon sind wir noch weit entfernt.
und müssen noch hart daran arbeiten.
Klimaziele erreichen
Schöpfung bewahren
Gerechtigkeit für alle
Das sind die Themen, die auch bei uns in der Kirche Einzug gehalten haben. Inzwischen gelten sie bei uns als göttliche Ziele, weil Gott doch seine eigene Schöpfung geworden ist.
Auf die Frage, die einmal jemand an Jesus gestellt hatte: Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben erwerbe, wäre dies die Antwort heute: arbeiten, arbeiten, arbeiten
Klimaarbeit
Schöpfungsarbeit
Gerechtigkeitsarbeit.
Ist uns extrem vertraut aus unseren eigenen Gemeinden als
Gemeindearbeit
Konfirmandenarbeit,
Jugendarbeit,
Gottesdienstarbeit,
Bibelarbeit,
Chorarbeit,
Gebetsarbeit
Seniorenarbeit,
Trauerarbeit,
Kinderarbeit, gibt es nur noch bei uns, ist sonst überall verboten.
Sozialarbeit
Öffentlichkeitsarbeit
Predigtarbeit, bin ich gerade dabei.
Man könnte glauben, nicht Gott macht frei, sondern Arbeit macht frei.
Ein religiöses Bewußtsein, das auf diese Frage mit Arbeiten antwortet , ist endgültig verweltlicht und hat aufgehört, religiöses Bewußtsein zu sein.
Darum wäre es wahrhaft heilsam, im kommenden Jahr immer mal wieder zu diesem Bild einer fröhlichen Weihnachtspyramide in ihrem vollen Lauf zurückzukehren und zu jenem unendlich erleichternden Wort Jesu: "Nehmt auf Euch mein Joch, denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht." Amen.