Josua - der andere Meister
Predigt vom 10. Februar in der Jeremia-Gemeinde
Evangelium nach Markus 4, 35-41
Und an dem selben Tage des Abends sprach er zu ihnen: Lasst uns hinüber fahren. Und sie ließen das Volk gehen und nahmen ihn mit, wie er im Schiff war, und es waren noch andere Schiffe bei ihm. Und es erhob sich ein großer Windwirbel, und die Wellen schlugen in das Schiff, so dass das Schiff schon voll ward. Und er war hinten auf dem Schiff und schlief auf den Kissen. Und sie weckten ihn auf und sprachen zu ihm: Meister, fragst du nicht danach, ob wir verderben?
Und er stand auf und bedrohte den Wind und sprach zu dem Meer: Schweig und verstumme! Und der Wind legte sich, und es ward eine große Stille. Und er sprach zu ihnen: was seid ihr so furchtsam? Wie habt ihr denn keinen Glauben? Und sie fürchteten sich sehr und sprachen untereinander: Wer ist der? Selbst Wind und Meer sind ihm gehorsam.
Liebe Gemeinde,
in der Bibel wird nur von zwei Menschen berichtet, denen die Elemente der Schöpfung gehorchen müssen. Der eine ist Jesus. Ihm gehorchen Wind und Meer und Wellen, wie wir heute bei Markus lesen.Vielleicht erstaunt uns das nicht. Jesus ist doch der Sohn Gottes.
Aber wer soll der andere sein?
Der zweite ist nicht Mose, wie man vielleicht denken möchte, weil man sich erinnert: er führte das Volk Israel trockenen Fußes durch das Schilfmeer. Aber das war ja das Versprechen Gottes.
Auch kann Mose hier nicht genannt werden, weil er gegen einen Felsen schlug, und es sprang Durst löschendes Wasser hervor. Da hatte Mose in einer Art von Übermut behauptet, er sei in der Lage, Wasser aus dem Felsen zu schlagen. Gott hatte gerade zuvor zu Mose gesagt: Schlag auf den Felsen, und es wird Wasser aus ihm hervorsprudeln. Nun - wegen dieser Vermessenheit durfte er nicht das gelobte Land betreten.
Weil ihr mich vor dem Volk nicht geheiligt habt, sagt Gott. Weil ihr das Volk und das Vieh vorm Verdursten gerettet habt und habt mir nicht gedankt.
Von Mose wird nicht gesagt. ihm wäre diese göttliche Kraft zu Teil geworden.
An seiner Stelle wurde bekanntlich Josua zum Führer des Volkes bestimmt, nachdem ihm zu Teil wurde, was zuvor und nach ihm keinem anderen Menschen zuteil geworden war.
Das Buch Josua beschreibt es so: Niemandem ist zu Teil geworden, was Josua zu Teil geworden ist: dass der Herr das ausführt, was ein Mensch angeordnet hat.
Dass Gott ausführt, was der Mensch angeordnet hat.
Das Besondere an dieser Formulierung ist, dass bei aller unwidersprochenen Größe des Josua Gott derjenige bleibt, der ihm erlaubt, Gott Anweisungen zu geben.
Aber Gott führt es aus. Er lässt die Sonne still stehen einen ganzen Tag lang, bis der Sieg errungen ist.
Von Jesus wissen wir gleichfalls, dass er bei allen Handlungen auf Gott verweist um zu sagen: Was an mir groß ist, das verdanke ich meinem Vater im Himmel.
Jetzt werden wir immer wieder und wieder aufgerufen, die Schöpfung zu retten und zu bewahren. Immer wird von der Schöpfung den Schöpfer gesprochen. Und die, die von der Schöpfung reden, wollen meist vom Schöpfer gar nichts wissen. Sie sind nicht mehr als Mose und werden in das gelobte Land nicht gehen dürfen.
Ich richte Euer Augenmerk auf Josua, den anderen.
Als ich mich jetzt wegen eines Dialogs in der Gemäldegalerie intensiv mit Josua beschäftigte, habe ich doch sehr gestaunt, wie wenig mir dieser große Führer und seine Taten gegenwärtig waren.
Zur Erinnerung:
Er war bereits als junger Mann ein gewaltiger Heerführer und schlug den König Amalek und die Amalekiter. Daraufhin machte Mose ihn und einen Kaleb mit anderen zum Kundschafter, damit er sich in dem gelobten Land umsehe. Er kehrte mit einer gewaltigen Weintraube zurück zum Beweis, dass in dem Land wirklich Milch und Honig flössen. Aber er berichtete auch, dass nicht nur die Weintrauben riesig seien, sondern auch die Bewohner Riesen seien. Riesen als Krieger erwarteten sie, wenn die das verheißene Land in Besitz nehmen wollten.
Da murrte das Volk Israel.
Selten, dass ein Volk mal nicht murrt. Zufriedene Völker muss man mit der Lupe suchen. Das Wetter, das Essen, die Arbeit - irgendetwas ist immer schlecht. Meistens alles auf einmal. Ist aber einmal alles gut geregelt, dann murrt das Volk, weil es jetzt langweilig ist.
Jetzt wird zum Beispiel gemurrt, weil keiner den Feinstaub in der Luft auf null bringt, weil immer noch Kohle verfeuert, Erdöl verbrannt wird, weil zu wenig erneuerbare Energie produziert wird. Weil es um unsere Kirche herum keinen einzigen freien Parkplatz mehr gibt, und nicht, weil so vieele in die Kirche kommen. Aber auch über die Verspargelung der Landschaft, über die sich abzeichnende Versmartung des Alltags, dass am Ende alles hoch intelligent ist, nur wir dumm dastehen werden.
Ein Volk ist nie glücklich, wenn es nichts zu murren hat. Hat es aber was, ist es deswegen besonders unglücklich.
So heißt es darum auch bei Josua: Da murrte das Volk Israel.
Die gerieten nämlich in Panik. Sie wollten keinen Schritt mehr vorwärts machen. Sondern ihre Führer sollten sie schnurstracks wieder zurück nach Ägypten führen. Lieber Sklaverei und Fleischtöpfe als einen Kampf gegen Riesen führen müssen.
Wir wollen keine Zukunft, wir wollen zurück in die Vergangenheit!!
Mose und Aaron sind verzweifelt.
Sie werfen sich vor ihnen auf den Boden in den Staub und flehen das Volk an, nicht zurückzukehren.
Es wirkt ziemlich peinlich, wenn man das liest: Die beiden liegen vor diesem ungläubigen und renitenten Volk im Staube.
Das wäre, als wenn Jesus auch vor Wind und Wellen gezittert hätte. Aber Jesus erhebt sich, tut den Jüngern diesen Dienst, damit sie ihre Angst verlieren und bringt Sturm und See zur Ruhe. Vielleicht tut er das nicht so sehr, dass sie ihre Angst verlieren, sondern dass sie ihr Vertrauen in Gott wiedergewinnen.
Wie handelt nun Josua in dieser Lage:
Er tritt vor das Volk und erinnert sie: Gott hat uns doch das Land verheißen. Also wird er auch dafür sorgen, dass wir die Riesen besiegen werden. Warum seid ihr so furchtsam. Lasst uns getrost den Jordan überschreiten. ER sagt nicht, wir schaffen das schon, sondern: Vertraut auf Gott.
Da hat Josua aber die Rechnung ohne das Wirtsvolk gemacht
Nun geht das Unheil erst richtig los: Das Volk versucht Mose, Aaron und Josua zu steinigen. Gott verliert die Geduld und Lust an seinem Volk und seiner Halsstarrigkeit und will es durch die Pest vernichten. Mose soll der künftige Vater eines neuen Volkes werden. Mit ihm will er ziehen, die anderen sollen umkommen. Es ist wie die Ankündigung einer neuen Sintflut. Gott, der murrend aus dem Himmel auf sein Volk schaut und sagt: Das habe ich nicht gewollt.
Verstehen wir das ganze Ausmaß der Krise? Hier steht alles am Rande des Abgrundes.
Mose erinnert Gott daran, wie er gerade dieses Volk aus Ägypten befreit hat, im Angesicht der Ägypter und vieler anderer Völker. Alle Völker haben es doch bewundern mitverfolgt. Was für einen Eindruck würde das machen, wenn er sein Volk jetzt vernichtete.
Mose gelingt es, Gott zum Einlenken zu bewegen. Doch bestimmt Gott, dass Josua allein mit dem zweiten Kundschafter Kaleb das Volk über den Jordan führen solle.
Als ich das gelesen hatte, habe ich mich gefragt, wieso dieser große Mann Josua so wenig bei uns im Bewußtsein geblieben ist. Wo er doch augenscheinlich ein starker Vorläufer Jesu war.
Ich denke, das ist auch genau der Grund: Die leuchtende Gestalt Jesu hat Josua in den Schatten gestellt, obgleich Gott ihm gehorchte, dass die Sonne und der Mond bei Gibeon stillstanden. Das war bei der Schlacht der fünf Könige der Amoriter gegen Israel. Damit Josua die Schlacht nicht vor dem Sieg wegen der einbrechenden Nacht unterbrechen musste, befahl er Sonne und Mond einen ganzen Tag still zu stehen. Und diese standen still bis zum Sieg des Josua.
Joschua und Jeschua, die beiden.
Der Name Jesus bedeutet im Hebräischen Gott rettet,
Der Name Josua bedeutet im Hebräischen Gott hilft.
Wir sehen, in beiden Namen finden wir diesen zentralen Bezug zu Gott. Gott ist die bleibende Mitte, aus ihm leben sie, aus ihm schöpfen sie ihre Kraft. Auch für Jesus bleibt Gott der Vater im Himmel. Gott offenbart sich in seinem Sohn nicht vollständig, nicht absolut. Er offenbart sich in ihm und bleibt uns zugleich ein großes Geheimnis. Selbst Jesus sagt es so: Ich weiß nur, was der Vater im Himmel mir offenbart hat.
Ohne die Erinnerung, dass im Namen Jeschua Gott wohnt, ziehen wir aus der Erzählung von der Stillung des Sturmes heute gern den falschen Schluss. Als ob es sich nämlich um eine Beziehung handele nur zwischen Jesus und seinen Jüngern, sozusagen von Bruder zu Brüder. Jesus als Mensch ist einer von uns, nur mutiger, nur glaubensstärker.
Daran müsste uns eigentlich die Frage Jesu hindern: was seid ihr so furchtsam? Wie habt ihr denn keinen Glauben? Denn nie fordert Jesu den Glauben allein an sich, sondern immer fragt er nach dem Glauben mit Blick auf Gott. Im Johannesevangelium mit den vielen ich-bin-Worten formuliert Jesus wohl sehr herausfordernd: Glaubet an Gott und glaubet an mich, doch das sagte er nachdem er zuvor seinen Zuhörern eingeschärft hatte: Wer an mich glaubt, der glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat.
Immer ist Jesus mehr als der Bruder und Mitmensch. Immer lenkt der unseren Blick auf den Vater.
Wer in Jesus nur den Bruder, den Mitmenschen, nur einen von uns erkennt, der erweist unserem Glauben einen schlechten Dienst.
Ich habe im Internet ein paar Predigten über Sturm auf dem See Genezareth durchgesehen. Da wird viel von den auf dem Mittelmeer in Seenot geratenen Flüchtlingen die Rede, und der Verpflichtung, ihnen zur Hilfe zu kommen, wie Jesus seinen Jüngern zur Hilfe gekommen ist.
Ja, man muss Ertrinkenden zur Hilfe kommen. Unbedingt und ohne wenn und aber. Wir können dafür nicht das Mittelmeer still stellen. Dazu benötigen wir seetüchtigere Boote wie die, die die Schiffbrüchigen haben.
Wenn das gelingt, dürfen alle Beteiligten für dieses mal erleichtert sein, aufatmen. Wie die auf dem See Genezareth, nur in einem weit größeren Ausmaß. Mehr Schiffbrüchige, mehr Todesnot.
Wobei wir Todesnot nicht steigern können. Todesnot ist die Suche nach dem letzten Halt
Wer aber stellt dann die Frage nach dem Glauben. Und an wen soll die Frage gerichtet sein?
An die in dem Schlauchboot? An der Frage allein wären sie gewiss ertrunken. Gerettet durch die Retter auf den Schiffen wäre die Frage nach dem Glauben durch den Dank an die Retter ersetzt worden. Gott wäre in jene Ferne gerückt, die wir ihm in unseren Angelegenheiten längst zugewiesen haben.
Es geht so gut ohne ihn. Nur wenn es dann nicht geht, dann murren wir.
Ein amerikanischer Schriftsteller, David Foster Wallace, hat versucht, das Leben mit Gott wieder in unseren Alltag hineinzubringen. In einer Anekdote macht er seinen Lesern klar, wie schwierig das jetzt geworden ist.
Im winterlich tief verschneiten Alaska kommen zwei Männer nach dem dritten Bier etwas besser ins Gespräch und diskutieren über die Existenz Gottes. Der eine ist religiös, der andere Atheist. Sagt der Atheist: Pass auf, es ist ja nicht so, dass ich keine guten Gründe hätte, nicht an Gott zu glauben. Es ist nämlich nicht so, dass ich noch nie mit Gott oder Gebeten experimentiert hätte. Letzten Monat erst bin ich weit weg vom Camp in so einen fürchterlichen Schneesturm geraten, ich konnte nichts mehr sehen, hab mich total verirrt, vierzig Grad unter null, und da hab ich' s gemacht, ich hab' s probiert: Ich bin im Schnee auf die Knie und hab geschrien: "Gott, wenn es dich gibt, ich stecke in diesem Schneesturm fest und sterbe, wenn du mir nicht hilfst."
Der religiöse Mann in der Bar schaut den Atheisten ganz verdutzt an: "Na, dann musst du jetzt doch an ihn glauben", sagt er. "Schließlich sitzt du quicklebendig hier."
Der Atheist verdreht die Augen, als wäre der religiöse Typ der letzte Depp: "Quatsch, Mann, da sind bloß zufällig ein paar Eskimos vorbeigekommen und haben mir den Weg zurück ins Camp gezeigt."
Der Herr sprach damals zu Mose und Aaron: Weil ihr nicht an mich geglaubt habt und mich nicht geheiligt habt vor den Kindern Israel, darum sollt ihr diese Gemeinde nicht ins Land bringen, das ich ihnen geben werden (Numeri 20, 12)
Gott heiligen - mehr wird nicht von uns verlangt.
Jesus sagt davon: Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.
Amen.